Gastkommentar

Unten blecht. Oben kassiert.

Die Stadt Aarau fördert energetische Klimaschutzmassnahmen. Eine hehre Absicht. Doch eigentlich finanziert sie damit nur die Hauseigentümer:innen und nennt es selber, was es nicht sein sollte: profitieren.

Von Lukas Tonetto

 

 

Wer kennt sie nicht, die Fabel vom gutmütigen, aber dummen Bären, der seinem schlafenden Meister eine Fliege von der Nase scheuchen wollte. Der Güte des Bären zum Trotz, gut heraus kommt die Geschichte nicht: zwar ist die Fliege verscheucht, der Schlag mit der Bärentatze ins Gesicht aber endet für den armseligen Mann bitterböse. Die Moral von der Geschichte ist augenfällig: gestraft ist, wer einen dummen Freund hat. Der Volksmund nennt ein solches Verhalten einen Bärendienst.

Gut gemeint. Falsch herausgekommen.


Kaum begonnen, entdeckt man im neuen Jahr einen Bärendienst, den die Stadt der Bevölkerung erweist. Der Bärendienst hat einen Namen: SEK II. Abkürzung für Amtsdeutsch «Städtischer Energie- und Klimakredit II». Laut offiziellem Wortlaut sollen in den kommenden vier Jahren 5.42 Mio. Franken fliessen – in den Klimaschutz. Wer will da schon opponieren?

Schaut man sich das Millionenpäckchen – knapp zwei Steuerprozente pro Jahr – genauer an, stellen sich dann aber doch einige Fragen, weil auch Privatpersonen Fördergelder beantragen können beim Ersatz von Ölheizungen durch Solaranlagen oder Sanierungen von Gebäudehüllen. Gegen den Ersatz von fossilen Energieträgern und das Energiesparen ist gar nichts einzuwenden. Energie ist ein kostbares Gut, der sorgfältige Umgang schon seit jeher Pflicht.

Vorneweg: es sind nicht fünfeinhalb Millionen, sondern weniger als vier Millionen Franken. Neben Personalkosten fliesst nämlich rund eine Million Franken in Kommunikations- und Strategiemassnahmen. Hinsichtlich Kommunikation könnte man allerdings durch gezielte Zusammenarbeit mit den Medien mehr Geld in die Klimaschutzmassnahmen stecken. Muss wirlich eine teure Kampagne gefahren werden, wo doch die Stadt Aarau durch die AZ-Lokalredaktion bedient wird und schon eine einzige Medieninformation der Stadt Aarau an die AZ und Tele M1, sekundiert von den wichtigen Gratiszeitungen wie Aarauer Nachrichten und Landanzeiger, sämtliche Einwohnerinnen und Einwohner erreicht?

Aber was genau wird denn nun aber mit den präzis noch verbliebenen 3.95 Millionen Franken gefördert? Ein Blick in die städtische Broschüre «Förderbeiträge» ist aufschlussreich und beginnt beim Titel: «Umwelt schonen und profitieren» prangt in Grossbuchstaben auf dem Titel. Was heisst da «profitieren»? Die Stadt sollte gerade dafür sorgen, dass niemand profitiert; sie verstösst sonst gegen das Prinzip der Gleichheit.

Die Stadt aber meint es ernst und schreibt weiter: «Schonen Sie ab sofort die Umwelt und Ihr Portemonnaie. Die Stadt Aarau bezahlt Förderbeiträge für energetische Sanierungen, für Anlagen zur Nutzung von erneuerbarer Energie, (…), energieeffiziente Geräte, Heizungsersatz und E-Mobilität.»

Mieter finanzieren Hauseigentümer


Reflektiert man den Massnahmenkorb, erkennt man, dass nur eine Minderheit der Privatpersonen «profitieren» wird, denn: wer kann energetische Sanierungen vornehmen, wer Solaranlagen bauen und Heizungen ersetzen? Doch nur Hauseigentümer:innen. Was aber ist mit den fast siebzig Prozent Mieter:innen in der Stadt? Und es geht dabei um einen stattlichen Batzen. Hauseigentümer:innen, die von Ölheizungen auf Wärmepumpen umsteigen, wird ein Grundbeitrag von 2’400 Franken bezahlt. Pauschal. Dazu kommt ein Leistungsbeitrag von 180 Franken pro kW. Ein nicht sanierter Altbau, sagen wir ein typisches Einfamilienhaus im Gönhard, braucht ca. 0,12 kW pro Quadratmeter. Bei einer Wohnfläche von 150 Quadratmetern sind das 18 kW. Total erhält der sanierende Hauseigentümer somit über 5’000 Franken an seine Heizungssanierung bezahlt.

Da eine Wärmepumpe für den Privatgebrauch zwischen 10’000 und 20’000 Franken kostet, bezahlt die Stadt dem Hauseigentümer im Gönhard an die Hälfte der Heizungssanierung. Weshalb aber soll der:die Steuerzahler:in in einer Mietwohnung an der Maienzugstrasse Hauseigentümer:innen im Gönhard die Heizungssanierung finanzieren? Zugespitzt formuliert: unten blecht, oben kassiert. Ist das die zukunftsorientierte Politik der neuen Mehrheit im Einwohnerrat?

Grotesker mutet die Förderung von Haushaltgeräten an, wenn auch dort die Beträge deutlich tiefer sind. Dennoch gleicht es einem Griff in die sowjetische Mottenkiste, wenn die Stadt Geschirrspüler, Waschmaschinen und Kühlschränke subventioniert. Der Föderbeitrag ist zwar auf zwanzig Prozent des Kaufpreises und maximal 300 CHF pro Gerät limitiert. Bloss gilt auch hier: Mieter:innen ersetzen diese Geräte nicht auf eigene Kosten; dies übernimmt die private Immobilieneigentümerin. Konkret heisst dies: werden in den Mietwohnungen an der General-Guisan-Strasse die alten Geschirrspüler durch A+++ Geräte ersetzt, subventioniert die Stadt Aarau die renditeorientierten Immobilienfirmen mit Steuergeld.

Aber auch das Gedankenexperiment mit einem privaten Hauseigentümer ist aus der Sicht eines normalverdienenden Mieters unhaltbar. Bei der Niederschrift dieses Beitrags bot ein grosser Schweizer Anbieter einen A+++ Geschirrspüler des Herstellers Bosch für CHF 499  an. Bei einem Förderbeitrag von zwanzig Prozent finanziert der:die Steuerzahler:in dem:der Käufer:in 100 Stutz des Kaufpreises. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch ausgesuchte Mitglieder des Stadtrats die Fördermassnahmen SEK II politisch unterstützen, so vielleicht, von den Grünen oder Pro Aarau, also Angelica Cavegn oder Hanspeter Thür. Warum aber soll eine vierköpfige Familie in einer Mietwohnung an der Delfterstrasse gewählten Stadträten wie Hanspeter Thür, der ziemlich schön am Weinberg wohnt, eine Hunderternote an den neuen Geschirrspüler zahlen? Wegen des Klimawandels, den Stadtrat Thür in seinem Einfamilienhaus allein schon durch das grössere Volumen deutlich mehr befeuert als die Familie in der Mietwohnung?

Nicht alles falsch


Es ist nicht alles falsch im Städtischen Energie- und Klimakredit. Umso wichtiger ist es, dass das Förderprogramm von Unsinn und Fehlanreizen befreit wird. Wer sich ein Haus leisten kann, soll auch Geld für Sanierungen haben. Und wer ein Haus besitzt, soll seine Sanierungen selber bezahlen. Punkt. Es gibt keinen Grund, den im Schnitt wohlhabenden Hauseigentümer:innen im Gönhard oder Zelgli Heizungsanierungen à fonds perdu zu vergüten. Aber genau dies macht das SEK II, beschlossen mit den Stimmen der vermeintlich stets der Zukunft zugewandten rot-grünen Parteien. Auf diese Weise züchtet man sich zukünftige Wähler:innen. Bloss, dafür werde Abgeordnete nicht gewählt. Daran messen sollte sich vor allem die SP, die mit dem Slogan wirbt «Für alle statt für wenige». Beim SEK II gilt nun aber plötzlich «für wenige, statt für alle».

«Weniger wäre mehr», müsste die Devise lauten. Dies würde nicht nur die linken Parteien im Einwohnerrat, sondern auch die städtische Politik vor einem Bärendienst bewahren: dass gut gemeint, falsch herauskommt, wenn mit dem Geld der Allgemeinheit Parteipolitik betrieben wird.

P.S. In der Stadt Aarau unterliegen Beschlüsse mit einmaligen Ausgaben von über 6 Millionen Franken dem obligatorischen Referendum. Einwohnerratsbeschlüsse wie die 5.5 Millionen zum SEK II haben deshalb ein «Geschmäckle» und man kann nicht anders, als die Lauterkeit des Parlaments anzweifeln. Warum ist man nicht so ehrlich und projektiert 6 Millionen, damit alle – auch die Mieter:innen, die nicht profitieren werden –  darüber abstimmen können? Dass ausgerechnet die sich basis-demokratisch rühmenden Parteien damit eine Volksabstimmung verhindern – Demokratieabbau ahoi – ist ein Fanal für die Zukunft.