Zeitreise

Von «Zwänzgerli» und Fünflibern

«Das Geld ist kein Übel, sonst könnten wir es nicht so leicht loswerden», soll einmal der Musiker James Last geäussert haben. Allerdings sagt uns ein gängiges Sprichwort aber auch: «Spare in der Zeit, so hast du in der Not». Dass man solch pekuniäre Selbstbeschränkung sogar mit Geselligkeit verbinden kann, zeigen die einst florierenden Einlegervereine in der Stadt. Heute sind diese bis auf wenige Ausnahmen – zum Beispiel jener im Restaurant Altstadt - fast ganz verschwunden. Und mindestens bei der Gründung des legendären Fünfliber-Clubs Aarau vor mehr als 50 Jahren im damaligen Restaurant Chez Jeannette an der Vorderen Vorstadt spielte das Geld ebenfalls eine Rolle.

Von Hermann Rauber

 

So genannte Spar- oder Einlegervereine finden sich im 19. Jahrhundert zuerst in Deutschland, später auch in der Schweiz, vor allem im Umfeld von Gaststätten. Hier standen jeweils besondere Sparkästen mit nummerierten Einwurfschlitzen, in denen man regelmässig und nach Gutdünken Münz oder Noten deponierte, die dann Ende Jahr wieder ausgezahlt wurden. Auch in Aarau waren vor hundert Jahren solche Einlegervereine weit verbreitet. Mitglieder waren vor allem Arbeiter, die sich nach damaliger Gewohnheit nach der «Büetz» zum Feierabendbier in der Stammbeiz versammelten. Damit das Sackgeld nicht gänzlich im Gerstensaft unterging, legte man pro Woche ein Zwanzig- oder Fünfzigrappenstück in den Kasten. Ende des Jahres brachten die «Zwangssparer» mindestens einen Teil dieses Geldes der Ehegattin nach Hause und sorgten damit in Sachen Abendschoppen für mehr Verständnis und Wohlwollen.

Geselligkeit als primärer Zweck


Das «Einlegen» hatte später kaum noch kommerzielle, sondern primär gesellschaftliche Bedeutung. Man verband den Gang zum Kasten mit dem Zusammentreffen in froher Runde und schätzte gemeinsame Aktivitäten wie einen Grillplausch oder die Auszahlung mit einem Essen an der Generalversammlung. Berühmt war namentlich der Einlegerverein im Restaurant Sevilla an der Rathausgasse mit rund 100 Mitgliedern, ehe er sich vor fünf Jahren nach dem Ende der Wirte-Ära Dätwyler auflöste. In schönster Blüte steht hingegen noch immer der Einlegerverein im Restaurant Altstadt (Präsident ist Kantonspolizist und SVP-Einwohnerrat Max Suter) mit einem «rein geselligen Zweck» (Paragraf 2 der Statuten) und einem Jahresumsatz von etwas mehr als 150 000 Franken.

Der Fünfliber-Club Aarau


In die prosperierenden 1960er Jahren fällt die Gründung des Fünfliber-Clubs Aarau. Das genaue Datum verliert sich im Dunkel der Geschichte, bekannt ist hingegen die Lokalität, traf sich doch in der Gaststube des Restaurants «Chez Jeannette» unter der Ägide der charmanten Wirtin Jeannette Bettenmann jeweils am späteren Samstagnachmittag eine fröhliche Runde. Dazu zählte auch Baumeister Fritz Zubler sen., der kurz vor dem Einzug in ein neues Heim in Biberstein war und für die anstehende «Huusräuki» am Stammtisch vorsorglich in unregelmässigen Abständen einen Fünfliber einzog. Das Fest im Schlossdorf fand wegen widrigen Umständen allerdings nie statt, der geäufnete «Silberschatz» wurde stattdessen am Ort des Stammes in ein feines Essen samt Tranksame umgesetzt, ein Brauch, der jedes Jahr zelebriert wurde und später unter dem Begriff «Jahresbott» in die Annalen einging.
Etabliert hat sich bald einmal auch der gebräuchliche Name für die feuchtfröhliche Gesellschaft, eben der Fünfliber-Club. Ein erstes schriftliches Dokument zeigt, wer 1968 den Jahresbeitrag von fünf Franken bezahlt hat, nämlich unter anderen Fritz Hemmeler, Peter Hangartner, der Kürschnermeister Otto Amsler, Silberschmied Fritz Widmer, Jörg Hänny, Stadtschreiber von Lenzburg und der Freiämter Leo Weber, Regierungsrat. Später fanden noch weitere Aargauer Magistraten den Weg zum Fünfliber-Club, nämlich Kurt Lareida und Thomas Pfisterer.

«Freiheit in Gemütlichkeit»


Die Club-Mitglieder wehrten sich mit Eifer und Erfolg gegen die Einführung von Vereinsstrukturen und hielten sich lieber an das Motto «Freiheit in Gemütlichkeit». Mit der Zeit wurde es Usus, dass man vor dem jährlichen Essen zu einem kulturellen Teil in Form von heimatkundlichen Exkursionen oder Betriebsbesichtigungen aufbrach. Heute zählt der Fünfliber-Club mit Marc Landolt an der Spitze rund 40 Mitglieder, darunter drei Frauen, die sich neben dem festlichen Jahresbott im Juni und einer währschaften Metzgete im November auch zwei Mal im Kalender zu einem Stamm treffen und damit die alten Werte der Geselligkeit auch im digitalen Zeitalter hochhalten. Auch wenn der ursprüngliche Jahresobolus von fünf Franken heute bei weitem nicht mehr ausreicht.