Kochtopf

Die Glut ist gut

Backen im Ofen ist langweilig. Gerade im Sommer. Da machen wir das lieber draussen auf dem Grill im Garten. Rebecca Moser hat sich dazu etwas Feines ausgedacht: Grillbrot mit Kraut und Geissenkäse, Gartensalat und ein in Beeren getränkter Sommerwein. Dazu eine Beilage direkt vom Himmel.

Von René Moor
Fotos: Roman Gaigg

Wenn ich nicht verstanden werden will, gehe ich gern an die Mühlemattstrasse. Der Lärm der Autos hil … – «Wie? Was hast du gesagt?»

Keine zwei Meter neben dieser Strasse hat Rebecca ihr Gärtli. Schlimmer geht’s nicht, denkst du. Bis du deinen Fuss über alte Plachen und rostige Wellbleche in dieses verwunschene Stückchen Erde setzt. Willkommen im Rebeccas Reich, wo wilde Rosenbüsche wuchern, Kräuter in die Höhe schiessen und alle Trübeli, Rüebli, Beeri, Salate und Blumen der Welt am liebsten Asyl beantragen würden. Über verschlungene Trampelpfade stösst man hier von der einfach gezimmerten hölzernen Gartenbaracke zu versteckten Beeten vor. Vorbei an antiken Giesskannen, kaputten Tontöpfen, behauenen Steinbrocken und Komposthaufen, aus denen glückliche Kürbispflanzen wachsen.

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Die erste Maibeere meines Lebens


Verkehrslärm? Nach zwei Minuten Gärtli habe ich vergessen, was das ist. Dafür zertrümmert mir die Amsel im Maibeeri-Busch nebenan mit ihrem 180-Dezibel-Gepfeife das Trommelfell. Moment mal, was sind eigentlich Maibeeri? Zum ersten Mal im Leben nehme ich eins der länglichen blauen Dinger in den Mund. Und die anderen beobachten unauffällig, wie lange ich noch in meinen Notizblock schreibe. Auch wenn es das Geissblattgewächs nicht in der Migros und im Coop gibt: Die erste im Mai reife Gartenbeere aus Russland und China ist völlig ungiftig, enthält viel Vitamin C und erinnert im Geschmack an die Heidelbeere.

Daheim in der Frischkostabteilung


Aber wir sind ja zum Kochen hier. Rebecca hat im Garten längst fleissig alles eingesammelt, was es fürs Menü braucht. Ihr Weidenkorb ist bis zum Rand gefüllt mit frischem Blutklee, Oregano, Basilikum, Schnittknoblauch, Maggikraut, Minze, Radieschen, Lattich, mehrjähriger Gartenkresse, Krautstiel, Schnittlauch und Hirschhornwegerich. Letzterer ist verwandt mit dem Spitz- und Breitwegerich und reich an Bitterstoffen, Vitaminen und Mineralsalzen. Ausserdem ist er hilfreich bei Husten und Erkältung, was im Super-Sommer 2016 nicht ganz unwichtig ist.

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Kochen ohne Küche


Bald merke ich, dass es hier gar keine Küche gibt. Kein Lavabo, keine Arbeitsfläche, kein Hochdruckmixer. Was Rebecca gar nicht stört. Sie hockt sich auf einen Steinblock und fängt mit einem Brett auf den Beinen an, das Kraut zu rüsten. Schnell ist auf dem Grill ein Feuer entfacht, das aber nur faul vor sich hin mottet. Petrus hält es für nötig, es schiffen zu lassen. Was ich gehofft habe, denn sonst hätte ich meine Regenjacke ganz umsonst angezogen. Unserem Feuerchen geht fast der Schnauf aus. Schon steigt weisser Rauch auf wie bei der Papstwahl. Bevor die Glut erlischt, gilt es, tifig eine Plastikplane über den Grill zu spannen.

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Glut auf dem Pfannendeckel


Der Regen prasselt, das Feuer ist gerettet und mein Notizblock macht sich tipptopp als Blasebalg, dank dem der Rauchgeschmack noch besser in die Kleider kriecht. Rebecca giesst einen Ölteppich in die Pfanne (die so gross wie ein Sombrero ist), damit der Teigboden möglichst nicht anklebt und schwärzt. Auf den Teig leert sie das geschnetzelte Kraut, das sich wie ein grüner Maulwurfshügel aus der Pfanne erhebt. Deckel drauf und auf den Grillrost damit. Der Trick ist, die Pfanne auf der richtigen Höhe über der Glut zu platzieren. Nach einer Weile fällt der Krauthügel in sich zusammen und Rebecca legt den Geissenkäse obendrauf. Dann kommt wieder der Deckel drüber. Damit der Käse schmilzt, legt Rebecca heisse Glut auf den Pfannendeckel – für die Oberhitze.

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Und der Magen schnurrt


14 Grad im Regen-Schatten. Höchste Zeit für den Sommerwein-Apéro. Es ist ein Arneis Roero 2015 aus dem Piemont – angereichert mit Beeren und Blüten. Ein Schluck davon und es ist völlig wurscht, ob die Sintflut kommt oder ob pro Sekunde eine Billion Autos am Gartenhag vorbeirauschen. Das Grillbrot mit Kraut und Gartensalat wartet im Teller. Mein Magen schnurrt zufrieden. Und alles isst gut.

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