Rebeccas Menü besteht allerdings aus drei Teilen: den Haberchüechli, dem Wurzelgemüseragout und dem Randendip. Das ist ganz schön aufwendig. Das merke ich, als ich die völlig überstellte Küche sehe. Darum gleich vorweg: Wer nicht mindestens drei Pfannen besitzt, muss gar nicht erst daran denken, das Rezept nachzukochen.
Wie lange kocht man Randen?
Im Dampfkochtopf schmoren gleich zu Beginn die Randen für den Dip. Sie stammen vom Biohof von Elisabeth Rampini aus Schlossrued. Wie lange die Dinger im Topf bleiben müssen, weiss auch Rebecca nicht so genau. Nicht einmal in ihrer wie ein Schatz gehüteten Kochbibel, dem Kochbuch von Elisabeth Fülscher (die Erstausgabe stammt von 1923), steht nichts Genaues. Da rösten wir doch zur Ablenkung lieber in einer anderen Pfanne den Sesam aus dem Reformhaus Müller.
Rebecca hantiert routiniert mit Rüstmesser, Kochlöffel und Raffeln. Dazu erzählt sie, dass ihr offenbar ein Gen fehle, um strikt nach Rezept zu kochen: «Spätestens bei Punkt 3 wird mir immer langweilig und ich fange an zu improvisieren.» Aus Tätschli werden dann Chüechli, statt Pastinaken nimmt sie Sellerie und die Bratpfanne tauscht sie gegen den Backofen ein.
Haber: Gesund, aber grässlich?
Ich finde derweil heraus, dass Haber von allen geläufigen Getreidearten vermutlich die mit Abstand beste und gesündeste ist. Haber ist nämlich glutenarm und deutlich nährstoffreicher als alle anderen Getreidearten. Schön und gut. Aber was gesund ist, schmeckt ja meistens grauenhaft.
Rebecca widmet sich nun dem Lauch Julienne. Während ich noch über den hübschen französischen Namen nachdenke, erklärt sie mir, dass dies die Bezeichnung für schmale Gemüsestreifen sei. Natürlich tue ich so, als hätte ich das längst gewusst. Dann verpampt Rebecca die im heissen Wasser eingeweichten Haberflocken, den Lauch, Rüebli, Ziger, Zwiebel, Haselnüsse, Bouillon, Pfeffer und die Eier zu einer Masse. Ich zweifle daran, ob daraus je ein Teig wird – und liege natürlich voll daneben.
Beglückende Hinweise für Frauen und Männer
Das Wurzelgemüseragout wollen wir hier auch nicht unter die Serviette kehren. Das hat es nämlich in sich. Sellerie wird seit dem Mittelalter in Europa angebaut, seit dem 17. Jahrhundert züchtet man auch Knollen- und Stangensellerie. Der Bockshornklee wiederum gilt als Stärkungsmittel. Und was manche noch mehr interessieren dürfte: Haber, Sellerie und Bockshornklee stärken scheinbar allesamt die Manneskraft. Ist es da Zufall, dass ich plötzlich Hunger habe wie ein Pferd?
Sehr hip: kitschfarbiger Dip
Bevor es nun endlich zu Tisch geht, ist es höchste Zeit, noch mal auf die Randen zurückzukommen. Als Rebecca den Dampfkochtopf öffnet, sind sie – Fleischliebhaber mögen mir verzeihen – genau «à point». Und nach der Behandlung mit dem Handmixer sorgt der Randendip auf dem Tisch für genau den schrillen Farbton, der dem Menü zur Krönung noch gefehlt hat.
Zum Essen selber will ich gar nichts weiter sagen. Erwähnenswert ist einzig Rebeccas Hinweis, dass man die Haberchüechli gut auch kalt essen kann. Ob das stimmt, lässt sich aber nicht mehr beweisen, denn wir haben längst alle verputzt.
BILDSTRECKE:
Rebeccas Rezept
Haberchüechli mit Wurzelgemüseragout und Randendip
(Rezept für 6 Personen und 1 Baby)
Haberchüechli
160 g Haferflocken
mit 3 dl heisser Gemüsebouillon übergiessen, ½ Std. ruhen lassen
300 g Rüebli rüsten, mit Bircherraffel reiben
150 g Lauch in Julienne geschnitten
1 Zwiebel fein schneiden
100 g Haselnüsse gemahlen
50 g, nach Belieben mehr, Schabziger fein gerieben
4 Eier
etwas Pfeffer
alles unter die Haferflocken mischen
in Muffinförmchen füllen
bei 200° ½ Std. backen
Wurzelgemüseragout
1 Zwiebel in Olivenöl andünsten
300 g Rüebli in Stücken
300 g Petersilienwurzel in Stücken
300 g Sellerie in Stücken
alles mitdünsten
mit Salz, Pfeffer und einer Prise Zucker abschmecken
vor dem Servieren Schnitt- oder Bärlauch zugeben
Randendip
500 g Randen gar kochen (oder gleich gekocht kaufen), schälen
150 g Sesam rösten
200 g Crème fraîche
Salz, Pfeffer
alles pürieren
Kochtopf
In unserer Schlemmer-Rubrik gibt’s einmal im Monat etwas Feines für die Augen und zwischen die Zähne. Dabei begleiten wir Köchin Rebecca Moser vom Einkauf am Mark übers Zubereiten bis zum Kochen und Essen eines Menüs. Rebecca interpretiert längst erprobte Gerichte neu, experimentiert mit der Wildkräuterküche und altem, unbeliebtem Gemüse. 2014 wurde Rebecca für ihre Kochkünste mit dem Umweltpreis der Stadt Aarau ausgezeichnet.
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FOTOGRAFIE
Valentina Verdesca ist freischaffende Fotografin aus Aarau. Ihre Schwerpunkte sind Portraits, Reportagen und Food. Letzteres mag übrigens nicht nur vor der Linse.
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René Moor ist Texter/Konzepter in Aarau. Weil man Worte nicht essen kann, verbindet er in dieser Rubrik das Angenehme mit dem Nützlichen.
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Mirjam Gremminger ist Stylistin aus Muhen. Sie verbringt jede freie Minute in Brockestuben und kennt mittlerweile jede einzelne davon in der Schweiz.
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Andreas Ott ist Grafik Designer mit Geschäft in Aarau. Er legt sich für diese Rubrik mindestens genauso ins Zeug wie danach beim Essen des vorgestellten Menüs.
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