Gastkommentar

Stadion und Arena

Sind «Public Private Partnerships» wirklich sinnvoll für Aarau?

Von Stephan Müller

 

 

 

Vor ziemlich genau einem Jahr äusserte ich ziemlich scharfe Kritik an den stadträtlichen (Finanzierungs-)Plänen betreffend Sporthalle Schachen, neu «Argoviaarena» genannt (siehe Beitrag Wohnungsbau, Städtebau und Sportinfrastruktur vom 10.09.2023). Letzte Woche wurde nun publik, dass der Stadtrat auf dem meiner Ansicht nach falschen Weg unbeirrt weiterplant. Die Kritik scheint nicht erhört worden zu sein.

Bis morgen Montag liegt bei der Stadt auch der abgeänderte Gestaltungsplan für ein Stadion mit Hochhäusern im Torfeld Süd auf. Ob es dazu Einwendungen aus dem Quartier geben wird? Gegen den Gestaltungsplan «Torfeld Süd» von 2019 machten damals 157 Nachbarn eine Einwendung. Das führte dazu, dass der Gestaltungsplan punkto Lärmschutz überarbeitet werden musste, und nun fünf Jahre später die vorgeschlagenen Änderungen wieder aufliegen. Für die Vorprüfung dieser Änderungen brauchte der Kanton rund ein Jahr. Es scheint ein komplexes Unterfangen zu sein, diese Änderungen auch nur sachgerecht zu prüfen. Auch hier verweise ich auf eine frühere Kolumne, wo ich auf die Alternative Obermatte hinweise (siehe Beitrag Niederlagen vom 25.10.2020). Ich bin überzeugt, würde das Stadion dort geplant, wäre dieses längst realisiert. Kommt dazu, dass die Bedingungen für ein SuperLeague-taugliches Stadion – von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – vom Fussballverband massiv heruntergesetzt wurden. Ein halb so grosses Stadion als bisher vorgeschrieben, falls gewünscht auch mit nur 20 Prozent Sitzplätzen, genügt jetzt neu für die SuperLeague. Umso mehr hätte es auf der Obermatte heute nicht nur Platz für ein Fussballstadion, sondern zusätzlich auch für weitere Sporthallen für Tennis, etc.

Das noch unter den alten Bedingungen geplante Stadion Torfeld Süd übersteigt das erklärte öffentliche Interesse an einem mindestens SuperLeague-tauglichen Stadion nun neu um das Doppelte. Das öffentliche Interesse ist jedoch die Bedingung, um eine Ausnahmebedingung zu erhalten, wenn der gesetzliche Lärmschutz trotz allen Bemühungen nicht eingehalten werden kann.
Gemäss eigenen Angaben des Stadtrates gelingt es ihm auch mit den Änderungen im Gestaltungsplan nicht, den gesetzlichen Lärmschutz für die geplanten Wohnungen in den Hochhäusern einzuhalten. Braucht das im Vergleich zu den Mindestbedingungen für die SuperLeague nun zu grosse Stadion eine zu hohe Quersubventionierung durch zu hohe Hochhäuser? Mit einer gleichzeitigen Redimensionierung von Stadion und Hochhäusern könnte der vorgeschriebene Lärmschutz wohl ohne Ausnahmebewilligung eingehalten werden. Und der FC Aarau in der SuperLeague spielen.

Leider will die Stadt nicht auf eigenem Land selbst Stadion und Arena bauen, sondern lieber Private zum Zug kommen lassen (beim Stadion ist es die HRS AG, bei der Arena die Halter AG), um ihnen Gewinne durch eine Querfinanzierung mit überteuerten Wohnungen zu gewähren. Dabei sollte die Stadt doch selber günstige und bezahlbare Wohnungen bauen, auf städtischem Land sowieso und überall dort, wo es Sinn macht. Und wieso baut die Stadt nicht selber ihre Sportinfrastrukturen wie Stadion und Arena? Wieso muss sich die öffentliche Hand in Geiselhaft von HRS AG und Halter AG begeben, um den Bau von zu teuren Wohnungen und Sportinfrastruktur an Private abzugeben? Und dann, wie geschehen, als 2016 eine Baubewilligung für den Bau des Stadions Torfeld Süd effektiv vorlag, die HRS plötzlich meinte, es rentiere so wie vorgesehen nun doch nicht, weswegen sie die erteilte Baubewilligung ungenutzt verstreichen liess und neu forderte, dass sie zu einem Stadion vier Hochhäuser mit überteuerten Wohnungen zur Querfinanzierung und zu ihrem eigenen Gewinn realisieren dürfe. Und die Stadt nickte und machte alles für den Investor, stellte für ihn die ganze Bau- und Nutzungsordnung wieder auf den Kopf und jetzt auch den Gestaltungsplan (der dem Lärmschutz ohne Ausnahmebewilligungen nicht genügt). Was passiert, wenn die HRS in naher Zukunft denkt, die Wohnungen rentierten nun doch nicht so wie erwartet, erarbeitet dann die Stadt wiederum einen neuen Plan und eine neue Bau- und Nutzungsordnung und einen neuen Gestaltungsplan für das Torfeld Süd? Wie tief kann die Stadt im Bückling vor gewinnsüchtigen Investoren eigentlich fallen? Wäre es da nicht ehrlicher, gleich die ganze Stadtplanung an gewinninteressierte Private auszulagern?

Eigentlich könnte man meinen, die Stadt habe vom Debakel Torfeld Süd gelernt. Aber nein, jetzt will sie sich freiwillig wieder in die Hand von Privaten begeben, obwohl sowohl die Sporthalle wie auch die vorgeschlagenen Wohnbaugebiete der Stadt gehören. Man hat das Gefühl, der Stadtrat ist ideologisch geleitet und lernresistent.

Betreffend HRS muss man immerhin sagen, dass sie das günstige Industrieland damals im Torfeld Süd rechtzeitig gekauft hatte, womit die Stadt effektiv mit ihr zusammenarbeiten muss, solange sie nicht – wie sie es sollte – ein Stadion anderswo auf eigenem Land und in Eigenregie baut.

Aber wieso soll die Halter AG nun ein exklusives Mitspracherecht und Vorrecht haben bei der Realisierung von Sporthallen-Arena und neuen Eigentumswohnungen auf städtischem Land? Einfach weil sie mit dieser Idee auf die Stadt zugegangen sei? Darf die Stadt ein solches Exklusivrecht der Halter AG überhaupt gewähren?

Beschäftigt man sich ein wenig mit Submissionsrecht, erweist sich, dass die Gewährung dieses Exklusivrechts an die Halter AG wohl rechtswidrig sein dürfte.

Die Stadt Aarau muss sich im Beschaffungsrecht nämlich an die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) halten. Dort ist bestimmt, dass die Übertragung einer öffentlichen Aufgabe an Private als öffentlicher Auftrag gilt, der ausgeschrieben werden muss.

Es gibt hierzu den bekannten Fall der Gemeinde Galgenen. Damals sollte eine private Firma im Rahmen einer Partnerschaft mit der Gemeinde exklusiv als private Investorin tätig werden, indem sie einerseits von der Gemeinde gegen ein Entgelt von 8,3 Mio. Franken einen Teil eines Areals zwecks Erstellung von privaten Wohn- und Geschäftsbauten sowie eines Dorfplatzes erwirbt und anderseits auf einem andern Teil des Areals (20’150 m2) im Baurecht gewisse öffentliche Bauten (Schulhaus, Mehrzweckhalle mit Sportanlage, Anlagen für Feuerwehr, Gemeindewerke, Wertstoffsammelstelle) errichtet und diese dann der Gemeinde zur Verfügung stellt. Das Verwaltungsgericht und das Bundesgericht mussten sich auf eine Beschwerde hin mit dem Fall befassen.

Dabei stellten die Gerichte folgendes fest: «Die Zusammenarbeit von Gemeinwesen und Privaten zwecks Finanzierung, Bau, Sanierung, Betrieb oder Unterhalt einer Infrastruktur oder zwecks Bereitstellung einer Dienstleistung (‹Public Private Partnership›, ‹PPP›) ist nach der schweizerischen Rechtsordnung grundsätzlich zulässig. Wenn jedoch ein ‹PPP-Konstrukt› wie vorliegend darauf ausgerichtet ist, durch einen Privaten bestimmte Infrastrukturbauten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben erstellen zu lassen, die Gemeinde über das hiefür benötigte Land bereits verfügt, aber nicht selber als Bauherrin auftreten möchte, sondern hiefür zwecks späterer mietweiser Benützung der Räume (zu im Voraus festgelegten Bedingungen betreffend Miete und Heimfallsentschädigung) dem Privaten ein Baurecht einräumt, kann die Auswahl des Vertragspartners der öffentlichen Hand nicht nach freiem Ermessen in einem freihändigen Verfahren erfolgen. Für das vorliegende ‹PPP-Beschaffungsvorhaben› muss vielmehr eine Ausschreibung stattfinden, welche den Anforderungen des Beschaffungsrechtes genügt und einen wirksamen Wettbewerb wenigstens bei der Auswahl des ‹PPP-Partners› sicherstellt.» Die Gemeinde Galgenen schrieb daraufhin die PPP-Partnerschaft aus.

Vergleicht man diesen Fall Galgenen mit dem Plan der Stadt Aarau bezüglich Bau der Sportarena und von Eigentumswohnungen mit der Halter AG, erscheinen die Parallelen offensichtlich. Ich gehe deswegen davon aus, dass die Stadt ohne Ausschreibung nicht mit der Halter AG die geplanten Projekte in einer PPP realisieren kann und darf bzw. die Halter AG wohl nach dieser Vorgeschichte wegen städtischer Vorbefasstheit von einem Wettbewerb bzw. einer Auschreibung ausgeschlossen werden müsste.

Aber ich finde es grundsätzlich – gerade auch aus linker Sicht – falsch, dass eine öffentliche Hand wie die Stadt Aarau überhaupt solche PPP-Partnerschaften für öffentliche Bauten wie Arena und Stadion eingeht. Man sagt von Aarau, es habe eine Mitte-Links-Mehrheit im Stadtrat und eine Mitte-Links-Mehrheit im Einwohnerrat. Nach den Entscheidungen des Stadtrates punkto Arena darf man sich mit Fug und Recht fragen, ob dem wirklich so sei. Die, welche behaupten, Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker dominiere den Stadtrat mit seiner FDP-Sicht nach Belieben, so dass er seine freisinnigen Privatisierungsideen ohne wesentliche Gegenwehr von grossen Teilen von Mitte-Links durchsetzen kann, scheinen mir eher recht zu haben.

Das finde ich schade. Für die Stadt, für den sozialen Wohnungsbau, wie auch für die Sportinfrastruktur.

Es gibt ja den Spruch aus der Römerzeit, dass das Volk «Brot und Spiele» brauche, auf lateinisch heisst das «panem et circenses». Wikipedia sagt dazu folgendes: «Der Ausdruck ‹panem et circenses› stammt vom römischen Dichter Juvenal. Er bedeutet ‹Brot und Zirkusspiele›. Juvenal kritisierte in seiner Satire, dass das römische Volk in der Zeit des Prinzipats, entmachtet von den Kaisern Augustus, unter dem die Wahlen der Magistrate zur bloßen Formalität verkamen, und Tiberius, der sie völlig dem Volk entzog und dem Senat übertrug, sich nicht mehr für Politik interessiert und nur noch diese beiden Dinge gewünscht habe: Brot und Spiele. Stattdessen wird in der wissenschaftlichen Literatur die Ansicht vertreten, bereits in der Zeit der späten Republik hätten die Wähler ‹panem et circenses› erwartet und sich, auf diese Weise bestochen, zur entsprechenden Stimmabgabe bei den Magistratswahlen verleiten lassen. … Erfolgreiche Politiker wie Julius Caesar sicherten sich Stimmen bei den regelmässigen Wahlen, indem sie einerseits große Mengen an Nahrung verschenkten und andererseits besonders prächtige und unterhaltsame Spiele veranstalteten. Dies sorgte dann dafür, dass der jeweilige Politiker gewählt wurde. Durch diese ‹Steuerung› sorgten die Bürger einerseits für immer mehr Unterhaltung und kostenlose Nahrung, andererseits wurde ein Amt damit mehr oder weniger käuflich.»

Ich bin nicht der Dichter Juvenal. Ich glaube an die Demokratie. In einem Jahr sind städtische Wahlen.