Bilanz ziehen. Wann macht man das? Im persönlichen Leben beispielsweise? Am Geburtstag? Beim Jahreswechsel? Dann, wenn man besonders unglücklich ist? Oder dann, wenn man besonders glücklich ist? Und wie sieht die Bilanz dann aus? Mit Mängel behaftet? Fulminant erfolgreich? Und aus welcher Perspektive schaut man es an?
Vielleicht zieht man immer auch Bilanz. Vom Tag, von der Nacht, vom letzten Gespräch, von der letzten Sitzung. Wahrsager:innen ziehen sogar eine Bilanz für die Zukunft, aus der Gegenwart. Im Rechnungswesen gibt es die Erfolgsrechnung und die Bilanz.
Da wird zusammengezählt und weggerechnet, selten multipliziert und dividiert. Da wird in der Bilanz gegenübergestellt: Guthaben und Schulden. Viele sagen, ist ein Guthaben da, ist die Bilanz gut. Sind die Schulden grösser, ist die Bilanz schlecht. Eine Erfolgsrechnung kann auch einen Misserfolg darstellen, wenn der Erfolg negativ ist. In Zahlen gerechnet.
Jemand sagte mir mal glaubwürdig, ihn interessierten die Menschen, die nicht erfolgreich seien, mehr als die Erfolgreichen. Die Erfolgreichen seinen meist simpel gestrickt: Gut kompatibel mit dem herrschenden System, überzeugt von sich selber, clever, vielfach ohne Demut. Die Erfolglosen seien interessanter: Was haben sie erlebt? Wie haben sie es erlebt? Wie sind sie damit umgegangen? Wie haben sie die Erfolglosigkeit in ihr Leben integriert? Was macht sie unfähig, sich geschmeidig ins System einzupassen, um erfolgreich zu sein?
Filme über Erfolgreiche seien weniger spannend als Filme über unglückliche Loser:innen.
Möglicherweise ist das so.
Ich weiss es nicht. Natürlich wollen alle wollen erfolgreich sein. Allenfalls berühmt werden. Wünschen sich, viel Geld zur Verfügung zu haben. Wollen glücklich sein. Das gilt auch für Gemeinwesen: Die Gemeinden wollen reich sein, attraktiv sein, trotzdem auch tiefe Steuerfüsse haben. Es ist ein Kampf um Erfolg. Wie immer, wenn es Gewinner:innen gibt, muss es aber auch viele Verlierer:innen geben. Das ist nicht nur im Lotto so. Man gewinnt, indem andere verlieren? Was macht man, was machen wir aus diesem Paradox? Sich nach vorne kämpfen, um auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen? Die anderen im Schatten zurücklassen?
Dieses Modell kann es ja nicht sein. Obwohl es millionenfach durchgespielt wird, immer wieder, täglich, stündlich, wöchentlich, monatlich, jährlich, lebenszeitlich. Gäbe es nicht Alternativen zu diesem harten, unerbittlichen Kampf und Spiel? Und manchmal erweist sich ein vermeintlicher Erfolg als eigentlicher Misserfolg. Die Bilanz wird negativ.
Manchmal wünschte ich mir, wir kreierten eine neue Erfolgsrechnung, neue Bilanzen. Auch im Rechnungswesen. Die auf anderes bauen, anders gewichten, anders Erfolg und Misserfolg ausweisen würden; oder gar nicht in dieser Dualität denken würden. Das wäre ein echt utopisches Kapital!
Gerade auch die Umwelt, die Umweltkosten, sind in unseren üblichen Erfolgsrechnungen, in den üblichen Bilanzen, nicht zu finden, sind dort mangelhaft oder überhaupt nicht abgebildet. Auch was glücklich macht, ob man glücklich ist, ist in den auf Zahlen basierenden Rechnungen meist unerheblich.
Ich will nicht bilanzieren! Das ist einfach gesagt. Aber schwierig umzusetzen. Während ich dies schreibe, biege ich eben auf meinen eigenen runden Geburtstag ein. Mein Kopf sagt, ziehe eine Bilanz. Mein Herz sagt, nein, mache das nicht. Das macht keinen Sinn, das ist falsch. Bilanzieren? Eine merkwürdige Vergleichswissenschaft! Was vergleichen, wie vergleichen, warum vergleichen?
Systemkongruenz überprüfen? Das ist eigentlich bilanzieren. Wenn hier ein Misserfolg erfolgt, kann das auch ein Gewinn sein, für einem selbst, für die Gesellschaft. Und schon ist man wieder im Vergleich, in der Bilanz.
Die schwierigste Kunst ist wohl, nicht zu bilanzieren.
P.S.: Den runden Geburtstag zurückgelassen, lese ich Obenstehendes zu Bilanz und Erfolgsrechnung nochmals. Ob wir es schaffen, das neu anzuschauen, neu zu denken? Ich habe meine Zweifel.
Vielleicht zieht man immer auch Bilanz. Vom Tag, von der Nacht, vom letzten Gespräch, von der letzten Sitzung. Wahrsager:innen ziehen sogar eine Bilanz für die Zukunft, aus der Gegenwart. Im Rechnungswesen gibt es die Erfolgsrechnung und die Bilanz.
Da wird zusammengezählt und weggerechnet, selten multipliziert und dividiert. Da wird in der Bilanz gegenübergestellt: Guthaben und Schulden. Viele sagen, ist ein Guthaben da, ist die Bilanz gut. Sind die Schulden grösser, ist die Bilanz schlecht. Eine Erfolgsrechnung kann auch einen Misserfolg darstellen, wenn der Erfolg negativ ist. In Zahlen gerechnet.
Jemand sagte mir mal glaubwürdig, ihn interessierten die Menschen, die nicht erfolgreich seien, mehr als die Erfolgreichen. Die Erfolgreichen seinen meist simpel gestrickt: Gut kompatibel mit dem herrschenden System, überzeugt von sich selber, clever, vielfach ohne Demut. Die Erfolglosen seien interessanter: Was haben sie erlebt? Wie haben sie es erlebt? Wie sind sie damit umgegangen? Wie haben sie die Erfolglosigkeit in ihr Leben integriert? Was macht sie unfähig, sich geschmeidig ins System einzupassen, um erfolgreich zu sein?
Filme über Erfolgreiche seien weniger spannend als Filme über unglückliche Loser:innen.
Möglicherweise ist das so.
Ich weiss es nicht. Natürlich wollen alle wollen erfolgreich sein. Allenfalls berühmt werden. Wünschen sich, viel Geld zur Verfügung zu haben. Wollen glücklich sein. Das gilt auch für Gemeinwesen: Die Gemeinden wollen reich sein, attraktiv sein, trotzdem auch tiefe Steuerfüsse haben. Es ist ein Kampf um Erfolg. Wie immer, wenn es Gewinner:innen gibt, muss es aber auch viele Verlierer:innen geben. Das ist nicht nur im Lotto so. Man gewinnt, indem andere verlieren? Was macht man, was machen wir aus diesem Paradox? Sich nach vorne kämpfen, um auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen? Die anderen im Schatten zurücklassen?
Dieses Modell kann es ja nicht sein. Obwohl es millionenfach durchgespielt wird, immer wieder, täglich, stündlich, wöchentlich, monatlich, jährlich, lebenszeitlich. Gäbe es nicht Alternativen zu diesem harten, unerbittlichen Kampf und Spiel? Und manchmal erweist sich ein vermeintlicher Erfolg als eigentlicher Misserfolg. Die Bilanz wird negativ.
Manchmal wünschte ich mir, wir kreierten eine neue Erfolgsrechnung, neue Bilanzen. Auch im Rechnungswesen. Die auf anderes bauen, anders gewichten, anders Erfolg und Misserfolg ausweisen würden; oder gar nicht in dieser Dualität denken würden. Das wäre ein echt utopisches Kapital!
Gerade auch die Umwelt, die Umweltkosten, sind in unseren üblichen Erfolgsrechnungen, in den üblichen Bilanzen, nicht zu finden, sind dort mangelhaft oder überhaupt nicht abgebildet. Auch was glücklich macht, ob man glücklich ist, ist in den auf Zahlen basierenden Rechnungen meist unerheblich.
Ich will nicht bilanzieren! Das ist einfach gesagt. Aber schwierig umzusetzen. Während ich dies schreibe, biege ich eben auf meinen eigenen runden Geburtstag ein. Mein Kopf sagt, ziehe eine Bilanz. Mein Herz sagt, nein, mache das nicht. Das macht keinen Sinn, das ist falsch. Bilanzieren? Eine merkwürdige Vergleichswissenschaft! Was vergleichen, wie vergleichen, warum vergleichen?
Systemkongruenz überprüfen? Das ist eigentlich bilanzieren. Wenn hier ein Misserfolg erfolgt, kann das auch ein Gewinn sein, für einem selbst, für die Gesellschaft. Und schon ist man wieder im Vergleich, in der Bilanz.
Die schwierigste Kunst ist wohl, nicht zu bilanzieren.
P.S.: Den runden Geburtstag zurückgelassen, lese ich Obenstehendes zu Bilanz und Erfolgsrechnung nochmals. Ob wir es schaffen, das neu anzuschauen, neu zu denken? Ich habe meine Zweifel.
Über
Ausgewählte Aarauerinnen und Aarauer schreiben in der Rubrik «Gastkommentar» über ihre Sicht auf die Dinge und die Stadt.
Stephan Müller ist Szenograf und ehemaliger Einwohnerrat, sonst Stadtspaziergänger und Teilzeitmitarbeiter eines linken Wochenblattes.
Bild: Thomas Widmer