Stadtgespräch

Wie spricht Aarau? Eine Stadt zwischen Flöige und Fliege

Ein Dialektforschungsprojekt der Universität Zürich befasst sich mit dem Aargauerdialekt. Oder besser gesagt, mit den Aargauer Dialekten. Dabei wurde eine neue App entwickelt und es findet eine Veranstaltung dazu in Aarau statt.

Von Anja Hasse

Bild: nöis gschmöis / mockuuups

In der Deutschschweiz benennen wir Dialekte oft nach den Kantonen, in denen sie gesprochen werden: Berndeutsch, Baseldeutsch, Zürichdeutsch. Doch Sprachen – und somit auch Dialekte – halten sich nicht immer an politische Grenzen.
Der Aargau ist ein Paradebeispiel hierfür. Traditionell gibt es vier Gruppen von Aargauer Dialekten, wobei jede Gruppe wiederum in sich vielfältig ist. Ein typisches Beispiel ist die Aussprache von Fliege, die zumindest drei der vier Regionen unterscheidet. Gehen wir im Uhrzeigersinn durch den Kanton lautet die Aussprache im Nordwesten des Kantons Fliege, im Nordosten Flüüge und im Süden Flöige.
In den 1940er- und 1950er-Jahren lag Aarau direkt an der Dialektgrenze. Der Sprachatlas der Deutschen Schweiz dokumentiert für diese Zeit für Aarau Flöige, für Küttigen aber Fliege. Der Süden des Kantons lässt sich anhand weiterer Merkmale noch mal in einen westlichen und einen östlichen Teil unterscheiden.
Beispielsweise sagt man im südöstlichen Teil des Aargaus eher en Frau, im westlichen eher e Frou. Die beiden Dialektgruppen unterscheiden sich im Artikel (en oder e) und in der Aussprache von Frau. Der Sprachatlas der Deutschen Schweiz verzeichnet im letzten Jahrhundert für Aarau e(n) Frau, für Muhen e(n) Frou und im benachbarten solothurnischen Stüsslingen ist es dann e Frou. Doch stimmen diese Beobachtungen auch heute noch?
Die schweizerdeutschen Dialekte sind sehr lebendig und wandeln sich ständig. Deshalb finden wir oft keine strikten Grenzen. 2018 wurden die Nutzer:innen der Dialekt-App «gschmöis» gefragt, wie sie «sie machen» im Satz «sie machen das immer» übersetzen würden. Die Karte illustriert einmal mehr, dass Dialektgrenzen durch den Aargau verlaufen, zeigt aber auch, dass nicht jede(r) aus der gleichen Region auch gleich spricht.


Quelle: Universität Zürich / Gilles Aebischer

In den blauen Regionen übersetzten die App-Nutzer:innen «sie machen» eher als sii mached oder sii machid, in den roten Gebieten eher als sii mache oder sii machen. Die Grenze zwischen den beiden Gebieten verläuft von Norden nach Süden durch den Aargau, wobei auf beiden Seiten der Grenze mal mehr die eine, mal mehr die andere Variante gebraucht wird.
Jeder Punkt steht für eine Antwort, blaue Punkte wiederum für sii mached/machid, rote Punkte für sii mache/machen. Zwar finden wir nur wenige rote Punkte im blauen Gebiet, das umgekehrte, also blaue Punkte im roten Gebiet, ist allerdings sehr häufig, wie etwa in Aarau. Und damit wären wir wieder bei der Frage nach dem einen Aargauer Dialekt. Denn der Aargau zeichnet sich eben gerade nicht durch einen Dialekt, sondern durch Dialektvielfalt aus. Um festzuhalten, wie die Dialekte heute gesprochen werden, hat das Team der Universität Zürich mit «nöis gschmöis» eine neue App entwickelt. Machen Sie mit und beantworten Sie Fragen zu ihrem Dialekt – im Gegenzug erfahren Sie mehr über Dialekte und die Forschung.

Mit diesem QR-Code geht es zur App:


Und wer noch mehr über den Aargau und seine Dialekte erfahren möchte, ist herzlich eingeladen, am 14. Oktober 2025 in Aarau an den Dialektworkshops und die Podiumsdiskussion teilzunehmen. Der Workshop startet um 18.15 Uhr und endet mit einem Apéro. Um 20.00 Uhr geht dann die Podiumsdiskussion los mit Poetry Slammer und Spoken Word Artist Jeremy Chavez, Schriftstellerin Nathalie Schmid sowie Poetry Slammer und Musiker Manuel Diener. Die Diskussion wird moderiert von Gianluca Kern. Während für die Diskussion eine Anmeldung benötigt wird, kann die Podiumsdiskussion von allen frei und spontan besucht werden.

Mehr Infos zu «Nöis gschmöis» und dem Forschungsprojekt: www.gschmois.uzh.ch