Gastkommentar

Aarau, Abfall, Action 

An alle Personen, die die Stadt Aarau sauber machen und halten: Danke, Grazie, Merci und grazia fitg! 

Von Lydia Klotz und Eleonora Sartori

 

So oft schwärmen wir in unseren Gastkommentaren und auf unserem Instagram-Blog von den schönen Aarauer Gassen, Wäldern und Wiesen. So schön sind sie aber nur, weil so viele Personen sich mit dem Erhalt dieser Sauberkeit und Schönheit befassen. Zeit ihnen, den oft «Unsichtbaren», Aufmerksamkeit und Raum zu geben und ihnen zu danken.

Was definitiv nicht unsichtbar ist, sind die blauen Aarauer Abfallsäcke. Ironischerweise waren genau diese Säcke die Inspiration für unseren heutigen Gastkommentar.
Für unseren Stadtblog auf Instagram (@insideaarau) hatten wir ein kleines Fotoshooting. Dabei bemerkte die Fotografin «Stönd chli witer nach rächts, im Hintergrund gsed me d’Abfallsäck … das gsed ned guet us.» So entstand einerseits ein amüsantes Bild und zudem die Idee für den heutigen Gastkommentar.

Abfall ist nicht nur unschön fürs Auge, sondern tut auch unserer Umwelt nicht gut. Wir fragen uns manchmal, wie man einfach einen Zigarettenstummel (innerhalb von 4 Monaten registrierten Putzmaschinen des Werkhofs der Stadt Aarau mit Kameras 285’000 Zigarettenstummel in Aarau), einen Kaugummi oder eine Serviette auf den Boden schmeissen kann. Unsere Weltmeere sind voller Plastik, Tendenz steigend. Was hindert die Menschen am Gang zum Abfalleimer? In Aarau war lange der Spielplatz unterhalb der Stadtkirche Hotspot der Littering-Debatte unserer Stadt.

Nicht nur die Stadt, sondern auch die Aarauer Bevölkerung beschäftigt das Thema Abfall.
So auch die freiwillig engagierten Mitglieder der «Güselwehr». Jeden Samstagmorgen früh treffen sich die Mitglieder des Vereins, um den Müll in Aarau aufzulesen und richtig zu entsorgen. Wir möchten uns an dieser Stelle beim Verein bedanken, dass sie sich für eine saubere Stadt einsetzen. Dank tollen Initiativen wie den clean up days von der Güselwehr, wird versucht, gegen dieses Problem vorzugehen. Und wir schätzen dieses Engagement sehr.
A propos freiwillig: zum Thema Verwenden statt Verschwenden steht bei der Markthalle im Stadtzentrum der Kühlschrank «Madame Frigo». Madame Frigo ist ein öffentlicher Kühlschrank, in dem man bringen kann, was man selber nicht mehr braucht und sich holen darf, was einem in der Küche fehlt. Ein tolles Konzept, um dem Foodwaste-Problem entgegenzuwirken.

Noch schöner wäre es aber, wenn all das gar nicht nötig wäre. Wenn die Menschen ihren Abfall minimieren und korrekt entsorgen würden. Im Kasinopark gibt es dafür Mehrwegbehälter und grosse Abfalleimer aus Holz zur Mülltrennung. Allerdings ist uns auch schon öfter aufgefallen, dass es in der Altstadt und entlang der Aare eine eher geringe Mülleimer-Dichte gibt. Wer wirklich Glas, Papier etc. trennen möchte, greift unterwegs oft auf die Abfalleimer der SBB zurück. Diese sind aber nun mal nur an Bahnhöfen angesiedelt.
Wir probieren, immer unsere eigene Wasserflasche mitzunehmen, und füllen sie an den Brunnen wieder auf, denn jede Pet-Flasche, die nicht produziert wird, ist eine gute Petflasche. Wann immer möglich, haben wir einen Stoffbeutel für die Einkäufe dabei. Leider gibt es den Unverpackt-Laden nicht mehr, denn da war es möglich, viele Güter des täglichen Bedarfs verpackungsfrei zu kaufen. Die Industrie macht es den Konsument:innen nämlich nicht leicht, unverpackt ein zu kaufen.

Das mit der Mülltrennung ist und bleibt nach wie vor eine komplizierte Diskussion. Das Abfallreglement der Stadt Aarau sieht gemäss Artikel 1 «eine geordnete und umweltschonende Abfallentsorgung und wenn möglich -wiederverwertung» vor. Wiederverwertung oder besser -verwendung ist ein grosses Thema auch bei Aarauer Festen.
Vor dem letztjährigen Maienzugvorabend herrschte kurzzeitig Ungewissheit darüber, ob das grosse Fest überhaupt stattfinden würde. Das Organisationskomitee war nicht in der Lage, ein Depotsystem einzuführen, was zur Folge hatte, dass die Stadt die Genehmigung für das Fest verweigerte.
Die gleiche Diskussion entstand vor dem letztjährigen Bachfischet. Dieses Jahr wurden nun Mehrwegbecher genutzt.
Ein Lob gebührt «Musig ide Altstadt» in Bezug auf das Abfallmanagement während des Festes. Nicht nur wurden grosszügig Abfalleimer aufgestellt, sondern diese wurden zusätzlich dem Motto «Musik» angepasst. Die Abfalleimer waren kunstvoll mit Blasinstrumenten und Trommeln verziert – ein Konzept, das die Entsorgung von Abfällen auf humorvolle Weise gestaltete.



Im Ausland stellten wir fest, dass Frau und Herr Schweizer den Abfall eigentlich immer unter dem Waschbecken, dem «Brünneli» in der Küche erwarten. Eine Freundin schaute mich in Berlin ganz schockiert an, als sie mit einem verwendeten Teebeutel den Schrank unter unserem Waschbecken öffnete, dort aber nur Putzmittel vorfand. «Wo isch denn euche Chübel?!». Ich musste lachen und zeigte ihr unseren Mülleimer am anderen Ende der Küche. Während ihres Berlin-Aufenthaltes öffnete sie noch ein paar Mal vergebens unseren Putzschrank und sagte jedes Mal «Hää, das cha doch ned si. Do ghört de Chübel ane».
Wir mussten auf Reisen auch schon feststellen, dass die Müllentsorgung je nach Land unterschiedlich organisiert ist, und die Mülltrennung nicht überall so gut gelingt. In manchen Ferienwohnungen gibt es nur eine grosse Tonne für alles. Wie soll eine weltweite Abfalltrennung funktionieren, wenn hier einfach alles in eine Tonne geschmissen wird? Generell ist global ein regelrechter Wettkampf um den Abfall entstanden. Neulich sprachen wir mit einem indischen Freund. Er berichtete, dass sich China und Indien um den Müll aus dem globalen Norden fast schon streiten, denn sie bekommen dafür Geld und bauen riesige Recycling-Anlagen. Das bedeutet zwar erstmal Einnahmen und Arbeitsplätze, ist auf Dauer aber natürlich keine Lösung. Erschreckend, wenn eine Region Aufschwung durch von uns produzierten Müll erhält?

Lokal könnten spannende Innovationen in der Zukunft aufkommen. Im Rahmen der Smart City Strategie plant Aarau auch smarte Strategien bei der Abfallentsorgung. Die Stadt möchte die Digitalisierung nutzen, um bspw. den Abfall zu überwachen, wie sie es schon bei der Zählung der Zigarettenstummel gemacht hat.
Auf ähnliche Art und Weise liess Aarau die Stadt auf ihre Sauberkeit untersuchen. Kameras an Reinigungsfahrzeugen haben dazu den Abfall auf den Strassen gemessen. Der Sauberkeitsindex betrug 4.36 von 5, was als «guten Sauberkeitsgrad» gewertet werden kann.

Wenn wir in Aarau Plastiktüten an der Aare sehen, leere Verpackungen in den Grünanlagen oder die Reste einer Party-Nacht auf dem Kunsthaus-Dach, dann sind wir jedes Mal enttäuscht, aber auch ein bisschen wütend. Andere Städte, wie Palermo, haben ein echtes Müllproblem. Da quellen die Tonnen über, Abfall wird teilweise aufgrund von mafiösen Verstrickungen wochenlang nicht abgeholt. Hier ist die Abfallentsorgung so gut geregelt. Es gibt einen Entsorgungskalender und unter anderem regelmässige Papier- und Kartonsammlungen (man muss das Papier nur vor die Haustüre stellen und es wird abgeholt). Habt ihr früher in der Schule auch dabei geholfen und gehofft, zwischen all dem Altpapier wartet etwas Schoggi auf euch?
Ganz so einfach scheint es aber doch nicht, denn die AZ titelte im April 2023 «Noch immer bekundet Aarauer Bevölkerung Mühe damit, Papier und Karton auseinanderzuhalten» .
Es gibt grosse Sammelhöfe wie die Entsorgbar und kleinere Sammelstellen. Hier muss also niemand auf seinem Müll sitzen bleiben.

Und doch wäre die beste Lösung: weniger Abfall produzieren. Dann wird es weniger Littering geben, weniger Plastik im Meer, weniger CO2 durch die Müllverbrennung …