Menschen

Aarau gestalten und neu wahrnehmen ist ihre Leidenschaft

Die gebürtige Aarauerin veranstaltet immer wieder Aktionen an verschiedenen Orten in unserer Stadt und lässt Aarau so in einem anderen Licht erscheinen. Es ist ihr wichtig, dass der öffentliche Raum für alle offen steht und mitgestaltet werden kann – unabhängig vom Portemonnaie.

Von Silvia Dell’Aquila

Bilder: Roman Gaigg

Jeannine, 37, Kunstvermittlerin

Was hat dich nach Aarau geführt?


Ich bin in Aarau geboren und aufgewachsen. Als Kind und Jugendliche hatte ich Fernweh im Blut und fühlte mich Aarau noch wenig verbunden. Erst als ich nach dem Studium im Ausland wieder eher zufällig hier gelandet bin, begann ich das Netzwerk der kleinen Stadt zu schätzen, an das ich wieder anknüpfen konnte. Die bescheidene Grösse bringt es auch mit sich, dass noch Raum da ist für neue Ideen, weil nicht schon ein Dutzend Andere am gleichen Vorhaben herumtüfteln. Diesen Entfaltungsfreiraum schätze ich.

Was gefällt dir hier besonders und was gar nicht?


Am liebsten mag ich Aarau an seinen Rändern: die Stille auf den Wiesen im Rohrer Schachen, die Giessen, in denen Brunnenkresse wächst, die Weite auf dem Alpenzeiger. Auch in der Stadt mag ich jene Räume, die nicht komplett durchgestaltet sind, etwa den Aussenraum der Garage und den Platz zwischen der Alten Reithalle und der Bar im Stall. Ich hoffe, dass sich dieser Charme des Temporären, leicht Flüchtigen, auch neben der erneuerten Alten Reithalle wird halten können.

Seit ich vor ein paar Jahren mit einer Sek-Klasse und einer Klasse der UMA-Schule den Stadtplan „Aarau for Free» erarbeitet habe, ist mir sehr bewusst, dass es in Aarau zu wenig Orte gibt, an denen man sich unentgeltlich aufhalten kann zum Spielen, Verweilen, mit Freunden zusammen sein. Es mangelt auch an kostenfreien kulturellen Angeboten, die durch das Wegfallen der finanziellen Hürde der ganzen Bevölkerung offenstehen.

Dein idealer Tag in Aarau


Ich beginne jeden Tag am liebsten draussen: mit Tai Ji und einem Rundgang durch den Garten. Wenn es das Wetter erlaubt, gibt es darauf Tee und Frühstück auf dem Balkon. Dann bin ich bereit für die Aussenwelt, sei es Arbeit, eine Verabredung mit Freunden oder den Gang auf den Markt an einem Samstag. Gegen Abend gehe ich im Sommer gerne in der Aare baden und lasse mich unter den Bäumen treiben. Schön ist’s, wenn es danach gerade noch auf eine Aufführung in der Alten Reithalle reicht, wenn Freunde mitkommen und danach schweigend oder bei einem engagierten Gespräch die Inszenierung noch nachklingen kann. Vor dem Zubettgehen schaue ich gern noch nach, ob die Glühwürmchen leuchten.

Du organisierst viele Aktionen im öffentlichen Raum und gerade auch in der Adventszeit einen «Lichterweg». Was motiviert dich zu diesen Projekten?


Mich fasziniert, wie aus einem Ort ein Raum wird. Das passiert, wenn man einen Ort gemeinsam gestaltet, umdeutet und die Erfahrungen mit anderen teilt. Der öffentliche Raum ist ein wertvolles gemeinschaftliches Gut, das immer auch gefährdet ist. Er erhält sich nicht von selbst, er braucht uns alle um sein Potential als Raum des Austauschs und der Begegnung verwirklichen zu können. Im öffentlichen Raum können Impulse, Fragen, Visionen mit einer grossen Anzahl unterschiedlichster Menschen geteilt werden. So bin ich sicher, dass sich bei den Gästen des Lichterwegs «unterWEGs» die Wahrnehmung des jeweilgen Waldteils verändert. Die Erfahrungen überlagern für eine ganze Weile danach den Vitaparcours, die Rückegassen, die Joggingrunde. Dasselbe gilt umso mehr für jene, die selbst aktiv sind und sich gemeinschaftlich auf Zeit einen Ort zu eigen machen und diesen gestalten. In dieser Erfahrung der Selbstwirksamkeit und der gestaltenden Gemeinschaft liegt eine grosse Kraft.


Lichterweg «unterWEGs», Distelberg-Brücke, 2018.

Die beste Bar, das beste Restaurant, der beste Club und deinen Lieblingsladen in Aarau?


Meine liebste Bar gibt es noch nicht: das wäre ein offener Teepavillon am Waldrand in dem man sowohl einen guten Oolong nach chinesischer Zubereitungsart als auch einen Kräutertee aus dem Wald trinken und im Halbschatten den Nachmittag verträumen oder im angeregten Gespräch verbringen kann. Bis es soweit ist, trinke ich Tee in der altehrwürdigen Brändli-Stube oder schlecke ein Glacé in der Alten Stadtgärtnerei. Dabei denke ich über die mobile Teebar nach.

Auf was freust du dich, wenn du nach den Ferien nach Aarau zurückkommst?


Egal zu welcher Jahreszeit ich gerade weg war, besuche ich unseren Garten noch bevor ich ins Haus komme. Dann zieht es mich bald in die Stadt, um bei Furter Brot zu holen und darüber zu staunen, wie man in der kleinen Stadt immer gleich eine Handvoll Freunde und Bekannte antrifft.

Mehr über Jeannines Projekte unter: www.jeanninehangartner.ch