Kochtopf

Zwei Bienenstiche ohne Vanillefüllung

Wir wollten wieder etwas mit Natur machen. Und Rebecca Moser etwas Süsses. So kamen wir auf den Bienenstich. Bis wir merkten, dass halbwegs normale Bienen gar keine Vanillefüllung produzieren. Grund genug für Rebecca, eine Dessertneuheit aus Honig auf den Tisch zu zaubern.

Von René Moor
Bilder: Valentina Verdesca



Bienen sind farbenblind. Wir Menschen auf unsere Weise auch. Wir denken zum Beispiel beim Stichwort (!) Bienen sofort an Honig. Und beim Dessert Bienenstich natürlich auch. Schliesslich ist Honig ja süss. Also muss auch im Bienenstich Honig drin sein, dachten wir.
Dass dies Blödsinn ist, dämmerte Rebecca nach Durchsicht aller weltweit existierenden Bienenstich-Rezepte als erster von uns. Da ist kein Honig im Bienenstich. Wie das auf uns wirkte? So ähnlich wie das Gift, das die Bienen im Stachel haben. Doch da war unser Termin mit dem Aarauer Jungimker Andreas Schwarzer vom Bienenzüchterverein Aarau und Umgebung längst fix. Zum Glück für uns.



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Mit Raumanzug und Smoker


Da steht dieser Astronaut im weissen Raumanzug unter der prächtigen Linde auf dem Alpenzeiger über Aarau. Es summt um ihn herum. «Ich mache Rauch für euch», sagt Andreas Schwarzer unter seiner fein benetzten Haube und entzündet den Smoker. Diese rauchende Blechbüchse hilft dabei, uns die herumschwirrenden Bienen vom Leib zu halten, während er für uns das «Magazin» seines Bienenvolks öffnet. Es ist ein massiver rechteckiger Kasten aus Holz mit Metalldecken obendrauf.


Arbeiterinnen wechseln den Job


Angefangen mit dem Imkern hat Andreas im März 2016 in einem Kurs des Bienenzüchtervereins. Er begann mit zwei Jungvölkern. Mittlerweile musste er eines davon wieder auflösen – denn dessen Königin hat sich wieder aus dem Staub gemacht. Normalerweise betätigen sich Königinnen ganz anders – als Eierlegemaschinen. Nach einem einzigen Hochzeitsflug, bei dem sie von Drohnen* begattet werden, legen sie pro Saison rund 200’000 Eier in den Bienenstock. Genau dort hält Andreas jetzt für uns Ausschau nach seiner noch verbliebenen Königin – allerdings ohne Erfolg. Dafür gibt’s umso mehr fleissige Arbeiterinnen zu sehen. Pro Volk können es zwischen 8000 im Winter und 40’000 im Sommer sein. Im Sommer leben die Arbeiterinnen 30 bis 40 Tage. Diese verbringen sie zuerst mit Putzen, Füttern und Bauen – bevor sie, nach einem drüsengesteuerten Jobwechsel, für die letzten paar Tage als Flugbienen Pollen und Nektar sammeln und die Blüten diverser Pflanzen bestäuben.

Der Stich in den Finger


Der Bienenstock mit Brut- und Honigraum ist immer noch offen. Die Bienchen finden das nur mässig lustig. Ihr Summen, Säuseln und Surren kippt langsam in ein Knurren, Wummern und Grollen. Wir ziehen die Köpfe ein und Andreas macht die Kiste der Pandora flink und vorsichtig wieder zu. Zeit, langsam zum Bienenstich zu kommen. Allerdings mehr giftig als süss – mitten hinein in Andreas’ Zeigefinger, der gleich zünftig anschwillt. Die Bienen hat er trotzdem ins Herz geschlossen, wie er uns gleich danach in einem Vortrag am Laptop beweist. Dabei lernen wir, dass die Tierchen für ein einziges Kilo Honig rund 6-mal um die Erde fliegen (so viel Weg würde ich nicht einmal für ein Kilo Gold auf mich nehmen). Mit dem ersten Honig seines Bienenvolks rechnet Andreas jedoch erst im nächsten Jahr. Dann könnte es bis zu 20 Kilo geben. Das Warten darauf ist für ihn aber nicht so schlimm, denn: «Ich habe Honig gar nicht so gern.»






Der Stich in den Mund


Dann endlich lüftet Rebecca ihre neuartige Bienenstich-Kreation – ganz ohne Vanillefüllung, dafür mit reichlich Honig im Teig. Obwohl sie mit ihrem Werk noch nicht ganz zufrieden ist – «es könnte besser aussehen!» – lässt die Leckerei zumindest bei den Geschmacksnerven keine Wünsche offen. Da greift sich sogar Honigmuffel Andreas keck ein zweites Stück.

*Drohnen – die männlichen Bienen – sind die heimlichen Idole etlicher Männer aus meinem Bekanntenkreis. Ihr einziger Lebenszweck ist das Essen und das Begatten der Bienenkönigin. Was verlockend klingt, hat jedoch einen winzigen Widerhaken, der gern vergessen geht: Die Drohnen geben nach vollzogenem Geschlechtsakt nicht nur ihren Penis (dieser verbleibt bei der Königin), sondern kurz darauf auch den Löffel ab.