Bienen sind farbenblind. Wir Menschen auf unsere Weise auch. Wir denken zum Beispiel beim Stichwort (!) Bienen sofort an Honig. Und beim Dessert Bienenstich natürlich auch. Schliesslich ist Honig ja süss. Also muss auch im Bienenstich Honig drin sein, dachten wir.
Dass dies Blödsinn ist, dämmerte Rebecca nach Durchsicht aller weltweit existierenden Bienenstich-Rezepte als erster von uns. Da ist kein Honig im Bienenstich. Wie das auf uns wirkte? So ähnlich wie das Gift, das die Bienen im Stachel haben. Doch da war unser Termin mit dem Aarauer Jungimker Andreas Schwarzer vom Bienenzüchterverein Aarau und Umgebung längst fix. Zum Glück für uns.
Mit Raumanzug und Smoker
Da steht dieser Astronaut im weissen Raumanzug unter der prächtigen Linde auf dem Alpenzeiger über Aarau. Es summt um ihn herum. «Ich mache Rauch für euch», sagt Andreas Schwarzer unter seiner fein benetzten Haube und entzündet den Smoker. Diese rauchende Blechbüchse hilft dabei, uns die herumschwirrenden Bienen vom Leib zu halten, während er für uns das «Magazin» seines Bienenvolks öffnet. Es ist ein massiver rechteckiger Kasten aus Holz mit Metalldecken obendrauf.
Arbeiterinnen wechseln den Job
Angefangen mit dem Imkern hat Andreas im März 2016 in einem Kurs des Bienenzüchtervereins. Er begann mit zwei Jungvölkern. Mittlerweile musste er eines davon wieder auflösen – denn dessen Königin hat sich wieder aus dem Staub gemacht. Normalerweise betätigen sich Königinnen ganz anders – als Eierlegemaschinen. Nach einem einzigen Hochzeitsflug, bei dem sie von Drohnen* begattet werden, legen sie pro Saison rund 200’000 Eier in den Bienenstock. Genau dort hält Andreas jetzt für uns Ausschau nach seiner noch verbliebenen Königin – allerdings ohne Erfolg. Dafür gibt’s umso mehr fleissige Arbeiterinnen zu sehen. Pro Volk können es zwischen 8000 im Winter und 40’000 im Sommer sein. Im Sommer leben die Arbeiterinnen 30 bis 40 Tage. Diese verbringen sie zuerst mit Putzen, Füttern und Bauen – bevor sie, nach einem drüsengesteuerten Jobwechsel, für die letzten paar Tage als Flugbienen Pollen und Nektar sammeln und die Blüten diverser Pflanzen bestäuben.
Der Stich in den Finger
Der Bienenstock mit Brut- und Honigraum ist immer noch offen. Die Bienchen finden das nur mässig lustig. Ihr Summen, Säuseln und Surren kippt langsam in ein Knurren, Wummern und Grollen. Wir ziehen die Köpfe ein und Andreas macht die Kiste der Pandora flink und vorsichtig wieder zu. Zeit, langsam zum Bienenstich zu kommen. Allerdings mehr giftig als süss – mitten hinein in Andreas’ Zeigefinger, der gleich zünftig anschwillt. Die Bienen hat er trotzdem ins Herz geschlossen, wie er uns gleich danach in einem Vortrag am Laptop beweist. Dabei lernen wir, dass die Tierchen für ein einziges Kilo Honig rund 6-mal um die Erde fliegen (so viel Weg würde ich nicht einmal für ein Kilo Gold auf mich nehmen). Mit dem ersten Honig seines Bienenvolks rechnet Andreas jedoch erst im nächsten Jahr. Dann könnte es bis zu 20 Kilo geben. Das Warten darauf ist für ihn aber nicht so schlimm, denn: «Ich habe Honig gar nicht so gern.»
Der Stich in den Mund
Dann endlich lüftet Rebecca ihre neuartige Bienenstich-Kreation – ganz ohne Vanillefüllung, dafür mit reichlich Honig im Teig. Obwohl sie mit ihrem Werk noch nicht ganz zufrieden ist – «es könnte besser aussehen!» – lässt die Leckerei zumindest bei den Geschmacksnerven keine Wünsche offen. Da greift sich sogar Honigmuffel Andreas keck ein zweites Stück.
*Drohnen – die männlichen Bienen – sind die heimlichen Idole etlicher Männer aus meinem Bekanntenkreis. Ihr einziger Lebenszweck ist das Essen und das Begatten der Bienenkönigin. Was verlockend klingt, hat jedoch einen winzigen Widerhaken, der gern vergessen geht: Die Drohnen geben nach vollzogenem Geschlechtsakt nicht nur ihren Penis (dieser verbleibt bei der Königin), sondern kurz darauf auch den Löffel ab.
Aarauer Bienenstich mit Honig
9 g Trockenhefe
1,5 dl lauwarme Milch
120 g Honig
zusammen auflösen
500 g Halbweissmehl
½ Tl Salz
120 g Butter
2 Eier
zugeben, zu einem geschmeidigen Teig kneten
mit feuchtem Tuch decken und 3 Std langsam gehen lassen.
Teig nochmals durchkneten und in Springform 28cm legen.
Mit feuchtem Tuch decken und nochmals gehen lassen.
Backofen 180 Grad vorheizen
Ca. 20 Min. backen
100 g Mandelsplitt
100 g Honig
80 g Butter
zusammen schmelzen und auf Kuchen verteilen
10 Min. fertig backen
2 dl Rahm
2 EL Weissmehl
3 Eigelb
60 g Honig
2 TL Johannisbrotmehl
unter stetigem rühren aufkochen bis die Masse eindickt
vom Feuer nehmen
2 Eischnee sorgfältig unterziehen
erkalteten Kuchen halbieren und mit Backcreme füllen
Kochtopf
In unserer Schlemmer-Rubrik gibt’s jeweils etwas Feines für die Augen und zwischen die Zähne. Dabei begleiten wir Köchin Rebecca Moser vom Einkauf übers Zubereiten bis zum Kochen und Essen eines Menüs. Rebecca interpretiert längst erprobte Gerichte neu, experimentiert mit der Wildkräuterküche und altem, unbeliebtem Gemüse. 2014 wurde Rebecca für ihre Kochkünste mit dem Umweltpreis der Stadt Aarau ausgezeichnet.
www.rebeccakocht.ch
FOTOGRAFIE
Valentina Verdesca ist freischaffende Fotografin aus Aarau. Ihre Schwerpunkte sind Portraits, Reportagen und Food. Letzteres mag übrigens nicht nur vor der Linse.
www.valentinaverdesca.com
TEXT
René Moor ist Texter/Konzepter in Aarau. Weil man Worte nicht essen kann, verbindet er in dieser Rubrik das Angenehme mit dem Nützlichen.
www.moortext.ch
STYLING
Mirjam Gremminger ist Stylistin aus Muhen. Sie verbringt jede freie Minute in Brockys und kennt mittlerweile jede einzelne davon in der Schweiz.
www.gremim.ch
ART DIRECTION
Andreas Ott ist Grafik Designer mit Geschäft in Aarau. Er legt sich mit seinem Team für diese Rubrik genauso ins Zeug wie danach beim Essen.
www.buero-ao.ch