Leseecke

Das Buch vom Verschwinden

Ibtisam Azem wagt in ihrem Roman ein verrücktes Gedankenexperiment.

Von Lilo Moser

 

Ariel, der Journalist und Alaa, der Freelance-Kameramann, leben im selben Wohnhaus in Tel Aviv. Beide sind Israelis, Ariel jüdischer und Alaa palästinensischer Herkunft. Beide lieben ihre Heimatstadt, in der sie aufgewachsen und Freunde geworden sind.

Eines Morgens sind im ganzen Land die Palästinenserinnen und Palästinenser verschwunden. Der gesellschaftliche Verlust ist sofort spürbar, die Verwirrung riesengross. Es fahren keine Busse mehr, im Spital fehlen Ärzte, der beste Hummusladen bleibt geschlossen. Handelt es sich um einen Generalstreik, einen geplanten Angriff? Oder gar um ein Wunder Gottes zur Rettung Israels? Auf der Suche nach Alaa findet Ariel in dessen Wohnung ein rotes Notizbuch, die Lebensgeschichte von Alaas Grossmutter. Er nimmt sich vor, die Aufzeichnungen ins Hebräische zu übertragen und eine Chronik der Zeit vor dem Verschwinden zu verfassen.

Ibtisam Azem gelingt ein eindrückliches, originelles Plädoyer wider das Vergessen und für ein friedliches Zusammenleben. Leider zeigt die aktuelle Entwicklung im Nahen Osten, dass genau dies der einzige Weg zur Lösung der vielen alten Konflikte ist.

Ibtisam Azem, geboren 1974 in Tayyibe (Israel), ist eine palästinensische Autorin und Journalistin. Sie studierte in Freiburg i.Br. Islamwissenschaften, Germanistik und Anglistik sowie in New York Sozialarbeit. In Berlin arbeitete sie für die Deutsche Welle. Seit 2012 lebt Ibtisam Azem in New York, wo sie als UNO-Korrespondentin für das Nachrichtenportal al-Araby al-Jadeed tätig ist. Sie ist Mitherausgeberin des Onlinemagazins Jadaliyya und hat zwei Romane veröffentlicht.

Das Buch kann in der Stadtbibliothek ausgeliehen werden.
Ibtisam Azem / Das Buch vom Verschwinden. Lenos Verlag, 2023.