Gastkommentar

Das Leben als Schallplatte – Ab und an hakt es

Über Vorstellungen, Erwartungen, Realität vor, während und nach dem Studium.

Von Lydia Klotz und Eleonora Sartori

 

Ist das Leben nicht manchmal wie eine Schallplatte? In Aarau sind die ersten Knospen zu sehen, wie im letzten Jahr und in dem Jahr davor … In den Aarauer Restaurants sitzen die kälteresistenten bereits draussen. Jahr für Jahr wiederholen sich diese Vorgänge. Ganz nach Vivaldis 4 Jahreszeiten kommt nach dem Winter immer der Frühling und so weiter. Wir haben das Gefühl, das kann man nicht nur auf die Jahreszeiten, sondern in gewisser Weise auch auf das Leben beziehen. Manchmal gibt es schöne Momente, dann wieder traurigere.  Manchmal läuft alles super, manchmal läuft gar nichts. Wie auf einer Schallplatte besteht das Leben aus einer Mischung fröhlicher Songs und eher nostalgischen Songs. Sie scheinen irgendeinem Muster zu folgen, manchmal hakt die Platte bzw. das Leben. «Manchmal geht’s hoch, manchmal geht’s runter, doch immer nach vorn», singt CRO in «HÖR NICHT AUF».
Wir möchten dieses Auf und Ab im Leben anhand der Studienwahl und des Studiums beleuchten und versetzen uns dabei zurück in die Entscheidungsfindung, welche in unserem safe space Aarau stattfand.

Mit dem nahenden Frühling und damit auch den nahenden Anmeldefristen für Hochschulen und Universitäten erinnern wir uns wieder an unseren Entscheidungsprozess. Dies, obschon unsere Studienwahl und -anmeldung schon einige Jahre zurückliegt. Dazu gehört auch das ständige Hinterfragen dieser Wahl und das Brainstormen über den nächsten Schritt: Die Berufswahl.

Wir haben beide das Privileg, studieren zu dürfen. Die Entscheidung zu studieren, hat uns ermöglicht, die Berufswahl hinauszuschieben und uns vorerst mit einer Materie vertieft auseinandersetzen zu können. Auch wenn unser Text einen Fokus auf das Studieren legt, möchten wir schon mal erwähnen, dass wir alle Menschen bewundern, die sich schon mit 16 für einen Beruf entscheiden und eine Lehre machen.

Eine Studienwahl zu treffen ist nicht so einfach, wie wir uns das vorgestellt hatten. Die Auswahl ist riesig und in jedem Studiengang gibt es Fächer, die einen mehr oder weniger begeistern. Anders also, als die Utopie, mit welcher man sich in die Auswahl stürzt, von wegen «Im Studium habe ich nur noch Fächer, die ich mag».
Viele unserer Freund:innen haben früher oder später die Studienrichtung geändert und neue Bachelors begonnen. Damit möchten wir betonen, dass es absolut normal ist, sich umzuorientieren. Es gibt grundlegende Differenzen zwischen dem, was man über das Studienfach liest oder was man in den Schnuppervorlesungen miterlebt und der Realität des Studiums. Es gibt so viele Faktoren, die in der Entscheidung mitspielen, ob einem das Studium gefällt oder nicht. Von den Professor:innen zu Mitstudierenden und der Prüfungsart (Semesterprüfungen / Jahresprüfungen) … Wir können dir die Entscheidung nicht abnehmen, möchten gerne aber unsere Learnings mit dir teilen.

A-Seite: Vor dem Studium


Teilweise fällen wir unsere Studienwahl früh in der schulischen Laufbahn. So schön das zu sein scheint und so erleichternd es sich anfühlen mag an Familienfesten auf die Frage: «Was möchtest du einmal werden?», eine Antwort zu haben, so sehr sollte man die Entscheidung bei Studienanmeldung vielleicht auch überdenken und hinterfragen.
Im Nachhinein würden wir uns vertiefter mit unseren Interessen-Feldern auseinandersetzen. Gefällt einem beispielsweise das Schulfach «Wirtschaft und Recht», empfehlen wir alle damit auch nur leicht in Beziehung stehenden Studienfächer zu notieren und die Webseiten der Universitäten zu diesen Studienrichtungen zu durchforsten. Die möglichen Studienfächer, auch wenn sie schlussendlich nicht in Frage kommen, würden wir uns notieren und in einer Art Mindmap visualisieren. Selbst wenn das Interessenfeld auf den ersten Blick als Studienwahl nicht als realistisch erscheint. Dies mit dem Ziel, die spätere Wahl so breit wie möglich zu gestalten. Dabei empfehlen wir Kriterien wie künftige Job-Möglichkeiten, Studienwahl von Freund:innen, Ortschaft, Angst vor Neuem… vorerst nicht in den Vordergrund zu rücken.
So haben wir uns im Gedankenkarussell verfangen: Ich kann doch nicht so weit weg von meinen Freund:innen ziehen und von meiner Familie? Wie vereine ich meine Entscheidung mit meinem Gewissen? Lydia ist nach Berlin zurückgezogen, Eleonora ist für einen Teil ihres Masters nach Lausanne gezogen. Unterschiedliche Dimensionen der Distanzen, aber ob Berlin oder Lausanne, haben wir gelernt, dass es sich einerseits lohnt, sich in neue Abenteuer zu stürzen und neue Orte und Personen kennenzulernen. Andererseits haben wir auch festgestellt, dass Distanzen dank Handy und Social Media so viel kürzer wirken. In der Schweiz ist das öffentliche Verkehrsnetz so gut ausgebaut, dass man tagsüber an die Uni in Lausanne kann und abends den Geburtstag mit der besten Freundin feiern kann. Zudem bieten neue Orte die Möglichkeit, seinen Freundeskreis um weitere Personen zu erweitern.
Oft telefonieren wir beide und erzählen uns von neuen Kontakten, die wir geschlossen haben und Freundschaften, die sich daraus entwickelt haben. Spannend ist es dann auch, die gegenseitigen Freundeskreise einander vorzustellen…
Mit dem Handy und Social Media kommen aber auch gewisse Schwierigkeiten, denn allzu schnell wird man von anderen beeinflusst, ob direkt oder indirekt. Hat man eine Entscheidung getroffen und sieht auf Social Media einen Beitrag, könnte dieser einen dazu bewegen, alles zu hinterfragen. sollte man auch an dieselbe Uni wie die Person? Sie war an der Uni XY und hat jetzt meinen Traumjob? Sollte ich also doch an die Uni?

Fachlich besonders gut beraten kann einen das ask Aarau. Wir selbst waren einige Male dort und sind immer begeistert nach Hause gekehrt, voller neuer Möglichkeiten und Ideen. So sind wir beispielsweise mit dem Studienfach zum ask gegangen und der Frage: Welche Uni würde zu mir passen? Sie haben uns den Fokus der Unis aufgezeigt und die Unterschiede gezeigt. Aus dem Gespräch konnten sie Tipps mitgeben und Werke empfehlen, an denen man sich orientieren kann…
Hat man eine Auswahl an möglichen Studienfächern, empfiehlt sich ein Blick auf die Universitäten und Hochschulen: Wo kann man dieses Fach studieren? Wie sieht der Normstundenplan aus? Welche Fächer gehören zum Studium? Jahresprüfungen oder Semesterprüfungen?
All diese Prozesse und Recherchen helfen dem Filtern der Studienfächer. Irgendwann hat man eine Übersicht von Fächern vor sich liegen, von welchen man sich vorstellen könnte, sie zu studieren.
Nun gilt es: Netzwerk nutzen. Falls ihr eine Person im Umfeld habt, welche studiert oder studiert hat, empfehlen wir den Austausch mit diesen Personen, um weitere Eindrücke, Tipps und Tricks zu sammeln. Zusammen mit den Informationen aus dem Internet zu den Studiengängen wird sich die Wahl verkleinern.
Die Wahl der Universität erübrigt sich je nach Studienfach von selbst und falls nicht, schaut euch die Unis unbedingt an. Besucht sie falls möglich, geht auf einen Kaffee in die Cafeteria, schaut euch die Umgebung an..  Ihr macht euch so einen eigenen Eindruck darüber, ob ihr es euch vorstellen könnt, an dieser Uni zu studieren.
Wir empfehlen unbedingt offen für neue Umgebungen zu sein, auch wenn eure Freund:innen sich für eine andere Universität entscheiden. Jede Uni hat ihre Eigenschaften, Vor- wie auch Nachteile. Sucht euch den Ort aus, an dem ihr euch wohl fühlt und euch vorstellen könnt, einige Jahre dort zu studieren.
So viele Möglichkeiten können einen schnell überfordern. Bis zu diesem Zeitpunkt musste man schulisch noch nicht so viele Entscheidungen treffen und konnte ein Jahr auf das nächste einfach auf sich zukommen lassen.
Sprecht mit Menschen aus eurem Umfeld über eure Ideen und Pläne, vielleicht findet ihr durch das Gespräch euren Platz. Entscheidet euch für eine Uni und schlaft mal eine Nacht drüber. Falls ihr mögt, schreibt euch eure Eindrücke auf, macht Fotos von der Uni und schaut sie euch noch einmal abends durch. Fühlt es sich richtig an? Was sagt das Bauchgefühl?

Wir haben uns damals oft in einem Café in Aarau getroffen, um über unsere Zukunftspläne zu sprechen. Selbst zu Studienbeginn (in unserer ersten Uni Woche konnten wir übrigens unsere Stadtpläne drucken), trafen wir uns oft im Home Barista Shop, Lockentopf, BYRO, LuckyMonkey oder der Tuechi und trafen und besprachen unsere Entscheidungen. Es hat uns immer enorm geholfen, über Unsicherheiten zu sprechen und weitere Eindrücke und Ideen zu sammeln. Auch Spaziergänge an der Aare waren eine wertvolle Erfahrung um die Gedanken zu ordnen. In einem AZ-Interview, was wir 2017 hatten, schrieb Kelly Spielmann am Ende «Obwohl sich die Wege von Lydia Klotz und Eleonora Sartori also vorläufig trennen, werden sie sich auch wieder treffen – inside Aarau.» Und genau so ist es gekommen. Aarau ist für uns ein Ort, wo wir fernab vom Trubel der Grossstadt wirklich nachdenken, reflektieren und Entscheidungen treffen können. Ein weiterer Grund why We Love Aarau.

B-Seite: Im Studium


Lasst euch nicht stressen. In den ersten Wochen werden viele Informationen verteilt, die Professor:innen werden euch Bücher empfehlen und einige Studierenden haben bereits am ersten Tag alle Bücher vor sich liegen. Die meisten Bücher findet ihr in Bibliotheken, schaut rein, nicht alle Bücher entsprechen eurem Stil und oft gibt es Alternativen: findet das Werk, das euch entspricht (Wir empfehlen die sharing is caring Facebook-Gruppen der jeweiligen Stadt/ Uni, wo man auch gute gebrauchte Bücher findet. Möchtet ihr Recht studieren an der Uni Zürich, findet ihr Gruppen auf der App Jodel..). Vergleicht euch nicht. «Oh, er ist im Ausland für ein Semester», «Oh sie arbeitet nebenbei 50%». Jede und jeder geht seinen Weg und das ist gut so.
Es wird harte Phasen geben, Wochen des Lernens und wenig Freizeit, aber mit einem Ziel vor Augen, lässt es sich meistens aushalten. Und wie schön ist das Gefühl einer überstandenen Prüfungsphase?
Wir haben leider einen Grossteil unseres Studiums, bedingt durch den Lockdown, zu Hause am Computer verbracht. Dabei ist die Uni-Zeit und das Campusleben eine so schöne Erfahrung. Wir sind sehr froh, diese nun im Master nochmal richtig auskosten zu können.
Hin und wieder fragen wir uns, wie es wäre, wenn Aarau eine Universität hätte. Wo wäre sie? Welche Fachrichtungen würde sie anbieten? Wäre das Mensa-Essen bezahlbar und gut?

Einige aus unserem Freundeskreis haben nach der Schule ein Zwischenjahr (zum Reisen, Arbeiten, als Flight Attendant, für Praktika…) eingelegt. Wir, die direkt weiter studiert haben, dachten oft «Ach, das hätten wir auch mal machen sollen». Aber: Dafür ist es nicht zu spät! Man kann im Bachelor ein Urlaubssemester einlegen, nach dem Bachelor, zwischen zwei Jobs, eigentlich immer. Es ist gut, sich Zeit zu nehmen, um sich zu finden und zu wissen, was man wirklich machen möchte. Es muss nicht immer schneller, höher, weiter sein und vor allem muss nicht alles immer nur für den CV sein. Es ist das eigene Leben und man kann es gestalten.

C-Seite: Nach dem Studium


Nach dem Studium ist es quasi vor dem Studium. Wir haben inzwischen beide einen Bachelor, und mussten realisieren, dass unsere Einstellung «wenn ich dann mal einen Bachelor habe, wird sich der Rest schon ergeben», so nicht ganz stimmt. Denn die Entscheidfindung fängt wieder von fast vorne an, wieder gibt es etliche Optionen. Es fühlt sich so an, als hätten wir die Nadel auf der Schallplatte unseres Lebens wieder auf Anfang gesetzt. Für welchen Job soll ich mich bewerben? In welchem Bereich möchte ich überhaupt arbeiten? Möchte ich vor dem Berufseinstieg auf Reisen gehen? Anwaltspatent ja oder nein? Weiteres Studium anhängen, ja oder nein?
Uns fällt immer wieder auf, dass bei vielen Stellenausschreibungen mindestens zwei Jahre Berufserfahrung nach dem Studium gefordert wird. Wie soll man diese erhalten, wenn dies überall der Fall ist? Auch wir erleben teilweise Rückschläge (siehe Screenshot Titelbild). Was uns da hilft: Gemeinsam darüber zu sprechen!
Es hilft aber generell nicht, sich von LinkedIn Beiträgen Mitstudierender unter Druck setzen zu lassen. A propos LinkedIn, brauche ich das? Wie viel muss ich posten? Was muss ich posten? Wir lesen immer wieder von Personen, die wir kennen, welche ihre Leistungen anpreisen. Schaut man sich ihr LinkedIn Profil an, wirkt es, als hätten sie nie einen Rückschlag erlitten (das abgebrochene Praktikum wird beispielsweise nicht erwähnt) – verständlich. Und doch fragt man sich etwas, ob LinkedIn mehr Schein als Sein ist.
Unsere C-Seite wird erst noch geschrieben. Wir befinden uns selbst im Entscheidungsprozess … irgendwo zwischen dem weiteren Studium und Jobsuche.

Falls es Personen unter den Leserinnen und Lesern gibt, die uns gerne Fragen stellen möchten, sind wir auf Instagram @insideaarau erreichbar oder via E-Mail insideaarau@bluewin.ch. Wir würden uns aber auch sehr freuen, von Personen Erfahrungen ihrer Berufswahl zu erhalten.

Sollten wir nicht alle ab und zu mal etwas riskieren, in der Hoffnung, dass unsere Schallplatte des Lebens dann vielleicht sogar einen Bonus-Track erhalten kann?