Zeitreise

Der Aarauer Schachen

Wer heute den Begriff «Aarauer Schachen» hört, denkt in erster Linie an sportliche Aktivitäten, an die Gastronomie, an Openairs oder Zirkusluft. Das war nicht immer so, wie ein Blick in die Geschichte zeigen soll. Denn die «Allmend» war im öffentlichen Besitz und stand der gesamten Bürgerschaft als Weide- oder Bündtenland zur Verfügung. Im 19. Jahrhundert diente der Schachen vor allem dem Militär als Übungsgelände, während der vordere Teil regelmässig als Viehmarktplatz (der Name existiert noch heute) genutzt wurde. Und auch der FC Aarau kickte seit seiner Gründung 1902 bis zum Bezug des neuen Stadions im Brügglifeld an diesem Ort.

Von Hermann Rauber

Bilder: Sammlung Stadtmuseum

 

Die Bezeichnung «Schachen» bedeutete in der mittelhochdeutschen Sprache ein Waldstück, später auch ein wildbewachsenes Ufer, also eine Auenlandschaft. Gerade längs der Aare findet man den Flurnamen Schachen aus diesem Grund immer noch häufig, auch wenn der Wald zum Teil gerodet worden war. Die Aare überflutete das flache Land aber häufig, wobei sich die Wassermassen bis zum äusseren Mauerring der Halde ausdehnten. Diese regelmässig eintreffende «Aaregrössi», die von den Aarauern gefürchtet wurde, überschwemmte letztmals 2007 Teile des Schachens. Das immer wiederkehrende Hochwasser war auch der Grund, dass sich das Siedlungsgebiet im vorderen Schachen erst im 19. Jahrhundert und nur zögerlich entwickelte.

Vom Militär beansprucht


Als Aarau anno 1815 Waffenplatz der aargauischen Artillerie wurde, griff man dankbar auf das weite Gebiet der Allmend zurück und benutzte den rund ein Kilometer langen Schachen vom Fusse des Ziegelrains bis zum Kugelfanger beim Aarewäldli als Übungsgelände. Damit hatte das Militär (später mit der Infanterie, der Kavallerie und dem Spiel) für lange Zeit Hand auf die freie Fläche zwischen Schanz und Aare gelegt. Nicht zuletzt aus diesem Grund entstanden im unmittelbaren Umfeld auch entsprechende «Trankstellen», nämlich Wirtschaften wie das «Vaccani», das «Mürset» oder der «Chalte Fuess».


Viehmarkt im Schachen um 1881.

Der erste FCA-Fussballplatz


Im Schachen erlebte die Stadt auch die ersten Fussballspiele, kämpfte doch hier der FC Aarau seit seiner Gründung 1902 und bis zum Bezug des neuen Stadions im Brügglifeld im Jahre 1924 mit Erfolg um Punkte, durften sich die Schwarzweissen doch zweimal als Schweizermeister feiern lassen, nämlich 1912 und 1914. Und auf der Schachenwiese landeten am ersten Flugtag 1913 vor tausenden von Zuschauern Pioniere der Schweizer Luftfahrt. Schliesslich etablierte sich im vorderen Bereich der Aarauer Viehmarkt, der bis vor gut 30 Jahren abgehalten wurde und dem heutigen Parkplatz den Namen gegeben hat. Kam hinzu, dass auf der Allmend auch regelmässig Zirkusunternehmen ihr Chapiteau aufstellten und an besonderen Anlässen der Rummelplatz an diesem Ort zum Anziehungspunkt wurde.

«Chruutwäie» und «Pfauenischlag»


Der Schachen entwickelte sich also zu einem multifunktionalen Gelände, zu dem seit 1972 auch eine Mehrzweckhalle gehört. Weil weitere Begehrlichkeiten im Raum standen, entschied die Grundeigentümerin, die Ortsbürgergemeinde Aarau, das Areal von weiteren Bauten fernzuhalten. Auf der früher vor allem landwirtschaftlich genutzten Fläche finden sich Flurnamen, die man sich heute nur noch schwer zu erklären vermag, etwa der «Widligumpe», der «Pfauenischlag» oder die «Chruutwäie», eine Baumgruppe in der Nähe des Allmendweges, die immerhin noch im gleichnamigen Open-Air-Musikfestival am Maienzugabend weiterlebt.

Bis 1945 noch eine «Schutti»


Man reibt sich allerdings die Augen ob der Tatsache, dass im Schachen bis zum Zweiten Weltkrieg im nördlichen Teil gegen die Aare hin auch eine Mülldeponie, ein Schuttablagerungsplatz also, ihren Standort hatte. Heute ist davon nichts mehr zu sehen, auf der ehemaligen «Schutti» wurde das moderne Freibad und das Leichtathletikstadion gebaut. Vor ein paar Jahren kamen auf dem Areal des aufgehobenen 300-Meter-Schiessstandes das Fussball-Trainingsfeld mit dem Allwetterplatz und die Reithalle hinzu.

Erste Pferderennen 1921


Es wundert hingegen nicht, dass im topfebenen Schachen kurz nach dem Ersten Weltkrieg, im Frühling 1921, die ersten Pferderennen über die Wiese gingen. Weil diese sportlichen Wettkämpfe in Aarau bald zur Tradition wurden, baute der Aargauische Rennverein weiter westlich die erste permanente Pferderennbahn in der Schweiz, die am 5. Oktober 1947 in Betrieb genommen werden konnte und heute vielfältigen Zwecken dient.

 
Titelbild: Blick auf die Halde in Aarau vom Schachen aus um 1909.