In historischen Zeiten war es Bürgerpflicht, im Milizsystem und im Turnus für die Sicherheit in der Stadt zu sorgen. Man schrieb das Jahr 1700, als in Aarau erstmals städtische «Wächter» eingestellt und besoldet wurden. Diese bewachten unter anderem die noch bis 1798 während der Nacht geschlossenen Stadttore. Es ging nicht zuletzt darum, «Diebe, Bettler und anderes Gesindel» vom Stadtgebiet fernzuhalten. Zu dem Pflichten gehörten aber auch das Einschreiten bei Wirtshausstreitigkeiten und bei unmässigem Nachtlärm sowie die Regelung des Verkehrs, damals noch von Karren und Kuschen bestritten. Für «gröbere» Vergehen oder Kapitalverbrechen zuständig waren hingegen die kantonalen «Landjäger», die in Aarau ihr Revier beim Oberturm im 1821 erstellten «Landjägerwachthaus» hatten, das heute noch so heisst.
Durchzogene «Qualifikationen»
Rekrutiert wurden die «Gassen- und Vorstadtwächter» vorzugsweise aus der Schar von ausgemusterten Söldnern, die nach ihrer Rückkehr aus fremden Diensten ein Auskommen suchten. Mit allen Vor- und Nachteilen, wie eine amtliche «Qualifikation» aus dem Jahr 1843 zeigt: Der Polizist namens Spengler sei «der billigste und tätigste, jedoch von geringen geistigen und körperlichen Kräften». Der zweite Wächter mit Namen Starkenmann sei zwar «fähiger, aber teilweise dem Trunk geistiger Getränke unmässig ergeben», beim dritten namens Hassler hiess der Eintrag im Protokoll «träge und nicht immer willig im Dienst». Offenkundig fehlte es dem Stadtrat aber an alternativen Bewerbungen, wurden die drei doch trotz Bedenken wiedergewählt, die letzteren beiden allerdings bei einer Probezeit von sechs Monaten.
«Sprengen über die Kettenbrücke»
Ein Blick in den Rechenschaftsbericht des Gemeinderates von 1888 zeigt, dass sich die Tätigkeit der Aarauer Stadtpolizei noch immer vergleichsweise bescheiden ausnahm. Das «Korps» bestand damals aus einem Wachtmeister und sechs «Polizeidienern», die vor allem mit «Anzeigen» beschäftigt waren. An oberster Stelle in dieser Rubrik standen Vergehen gegen das Wirtschaftsgesetz, wobei es fast ausschliesslich um «Überhöckler»-Bussen ging, immerhin 112 an der Zahl. Eingeschenkt haben im ähnlichen Zusammenhang auch Verstösse wegen «Nachtlärm und Unfug» (53) und wegen «Völlerei und Skandal» (19). Lediglich zweimal erscheinen in der Jahresstatistik von 1888 die Delikte «Jaucheführen zu verbotener Zeit» und «Sprengen über die Kettenbrücke», mit dem Pferd notabene.
Kein Pardon um Mitternacht
Gefürchtet unter Nachtschwärmern war auch hundert Jahre später noch immer die Polizeistunde. Nach dem damaligen Gastwirtschaftsgesetz hatte der Wirt jeweils um Mitternacht «laut und vernehmlich den Wirtschaftsschluss zu verkünden», worauf die Gäste noch 15 Minuten Zeit hatten, ihre Becher oder Gläser auszutrinken und das Lokal zu verlassen. Die meisten hielten sich daran, einige scheuten weder Mühe noch Aufwand, um den Abend zu verlängern. Denn die Stadtpolizei, die damals noch im Parterre des Rathauses stationiert war, kannte kein Pardon: Wer nach der Sperrstunde in einer Beiz erwischt wurde, zahlte eine «Übersitzerbusse» von 5, später von 10 Franken. Um solch unnötigen Auslagen zu entgehen, kam es vor, dass ganze Gesellschaften auf den entsetzten Ruf der Wirtin «Sie chöme!» (gemeint war die Doppelpatrouille der Stadtpolizei) in den Weinkeller oder die Küche flüchteten. War die Luft wieder rein, kehrte man zu fröhlichem Tun wieder an die Tische zurück. Diese polizeilichen «Ronden» um Mitternacht wurden erst 1999 mit der Lockerung der gesetzlichen Grundlagen auf Kantonsebene praktisch aufgegeben.
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We Love Aarau macht jeden Monat mit Geschichten und Anekdoten eine Reise ins vergangene Aarau.
Hermann Rauber, 69, ist Historiker und Journalist. Nach seiner Pensionierung ist er noch lange nicht schreibmüde, arbeitet für verschiedene Publikationen und ist als Stadtführer tätig. Am liebsten sind ihm dabei Geschichten über die Gaststätten und das frühere Nachtleben in Aarau.