Stadtmusik

Ein Griff ins Archiv

Der Sommer ist da und mit ihm auch die grosse Hitze. Die besten Sommerplatten? Musik für das Grillfest? Die besten Tracks für die Badi? Keine Ahnung. Stattdessen ziehe ich zufällig drei Platten aus meinem Regal um sie euch vorzustellen. Für etwas anderes ist es einfach zu heiss.

Von Gianni Keller

Odetta «Odetta sings Ballads and Blues»


Es war von Anfang an klar, dass ich das mit dem «zufällig» nicht so Ernst nehmen kann. Die wirklich erste Platte, die ich aus dem Regal zog, war eine Single von The Cure. Die zweite war von My Morning Jacket. Eine gute Band, aber das Album «The Waterfall»  ist so schlecht, dass ich es nur einmal gehört habe. Die dritte war dann tatsächlich dieses Album von Odetta. Das erste Mal, als ich von Odetta etwas hörte, war im Film «No Direction Home». Ein Portrait über Bob Dylan. Odetta singt in diesem Film «Waterboy». Die pummelige Afroamerikanerin steht mit ihrer Gitarre alleine auf der Bühne und schreit bei jedem Akkord. Ein seltsamer Auftritt, aber einer, der mich zu einer genaueren Recherche führte. Da ich in meiner Bob-Dylan-Phase steckte, vergass ich Odetta jedoch wieder, bis ich in New York auf dieses Album stiess. Es handelt sich um ihr starkes Debut als Solo-Sängerin. Bis heute ist «Odetta sings Ballads and Blues» ein Album, das ich nie wieder hergeben möchte. Ihre besondere Stimme, die reduzierte Instrumentalisierung machen es möglich, dass Odetta beinahe jeden Song auf ein anderes Niveau hebt. «Deep Blue See» ist nicht nur ein gutes Beispiel dafür, sondern auch der Höhepunkt dieses Albums.


Screaming Jay Hawinks «Screaming Jay Hawinks»


Nachdem ich den Film «Stranger than Paradise» von Jim Jarmusch sah, musste ich den Song «I Put A Spell On You» in meiner Sammlung haben. Zuerst kaufte ich die 7“-Single mit der grossartigen B-Seite «Little Demon», dann ein Album und dann noch eins. An diesem Zeitpunkt realisierte ich, dass «I Put A Spell On You» auf jedem dieser Alben vorhanden ist, was mich nicht davon abhielt noch mehr zu kaufen. So ist auch auf diesem, nach dem Sänger selbst betitelten Album, der Song an erster Stelle vorhanden. Und ja, man kann in mehrfach besitzen, denn er wird nicht schlechter. Doch es wäre zu einfach den Sänger und Showman nur auf einen Song festzunageln. Screaming Jay Hawkins wollte Opernsänger werden. Daraus wurde nichts. Er piercte sich einen Knochen durch die Nase, setzte einen Totenschädel auf sein Zepter und schrie sich die Seele auf der Bühne aus dem Leib. «Portrait Of A Man» zeigt Hawkins› andere Seite. Eine ruhige und introvertierte. Auch seine Version von «It’s Only Make Believe» hebt sich von Conways originalen Schnultze deutlich ab. Hawkins war ein Ausnahmetalent und kann uns heute noch schockieren.


Neil Young «Dead Man»


Schon wieder Jim Jarmusch. Neil Young schrieb den Soundtrack zu «Dead Man», einer der besten Filme Jarmuschs. Am BadBonn-Festival in Düdingen traf ich Jarmusch und sprach kurz mit ihm. Er sprach noch kürzer mit mir. «Piss off» schnautze er mich an. Also verpisste ich mich und setzte mich nicht mehr gross mit ihm auseinander. Als ich an einem Flohmarkt diese Platte fand, konnte ich nicht anders als sie zu kaufen. Erstens handelt es sich um ein sehr rares Exemplar und zweitens ist es einer der besten Soundtracks, die je aufgenommen worden sind. Den Gerüchten zu folge kam Neil Young mit seiner Gitarre ins Kino und spielte die Songs zu den Bildern ein, die er zum ersten Mal sah. Wie nah an der Wahrheit dies ist, kann man ruhig bezweifeln. Es ändert sich jedoch nichts daran, dass dieses Album eine eigene und einmalige Magie hat.