Menschen

Er ändert, was ihn stört und engagiert sich für Aarau

Er ist engagiert, vielseitig und gestaltet die Stadt aktiv mit. Mit dem Fabrikpalast hat Hansueli in Aarau eine einzigartige Spielstatt für Figurentheater aufgebaut, die bald in das gemeinsame Projekt «ARTA Alte Reithalle Tuchlaube Aarau» überführt wird und von ihm in eine neue Ära begleitet wird. In der Telli setzt er sich als Präsident des Quartiervereins für die Interessen der Quartierbewohner/innen, ein gutes Zusammenleben und eine bessere Lebensqualität ein. So hat er auch bei der Petition «Raum zum Spielen für Kinder und Jugendliche in Aarau» mitgewirkt, welche letzten Mai über 1000 Menschen unterschrieben haben. Wo etwas ansteht oder wenn ihn etwas stört, wird Hansueli aktiv und packt mit an.

Von Silvia Dell’Aquila

Bilder: Roman Gaigg

Hansueli, 68, Figurenspieler/Theaterleiter Fabrikpalast, Präsident Quartierverein Telli

Was hat dich nach Aarau geführt?


In den AarGau hat mich vor 26 Jahren die Liebe gelockt – man hört es noch an meinem Dialekt, dass ich aus der Ostschweiz stamme, aus St. Gallen. Ich wohnte anfänglich in Kölliken und Oberentfelden. Eigentlich war ich immer ein Stadtkind. Nicht zuletzt die Nähe zu Kultur und Bahnhof lockte mich immer mehr Richtung Aarau. Vor sechs Jahren zog ich dann in die Telli, wo ich nun einen Katzensprung vom Fabrikpalast entfernt wohne.

Was gefällt dir hier besonders und was gar nicht?


An Aarau schätze ich die Überschaubarkeit. Man kennt sich schnell, ist bald von einer Ecke in der andern. Man hat den Eindruck, noch etwas beeinflussen, etwas verändern zu können, weil die Wege ins Rathaus kurz sind, weil man sich an den einschlägigen Orten trifft. Die nahe Aare mit den Auenwäldern, der Jura gleich dahinter, sind wunderbare Naherholungsziele. Und auch die zentrale Lage im Mittelland, von wo aus man in kurzer Zeit mit dem Zug mitten in den Städten Zürich, Bern, Basel, Luzern oder zum Wandern in den Bergen ist, geniesse ich. Das zunehmend urbane Klima, eine – mindestens in Ansätzen – oft eher fortschrittliche Politik entspricht mir sehr. Ein Glücksfall ist die Alte Reithalle, in welcher sich in den vergangenen Jahren ein beliebtes und breit aufgestelltes Kulturprogramm etablieren konnte. Ich freue mich sehr, dass dieser wunderbare Raum nun umgebaut und definitiv der Kultur zur Verfügung gestellt werden kann. Und dass das zeitgenössische Figuren- und Objekttheater im neuen Gefäss ARTA Alte Reithalle Tuchlaube Aarau eine neue Heimat finden wird.
Was ich an dieser Stadt nicht verstehe, sind die mangelhaften Busanschlüsse der meisten Zugverbindungen abends und sonntags. Seit Jahren, bald dürften es wohl Jahrzehnte sein, bringt es diese Stadt resp. der Kanton nicht fertig, etwas anzubieten, was für jede Kantonshauptstadt selbstverständlich ist. Und dann noch das Ärgernis Kreuzplatz: Nur, weil da kein Linksabbiegen vom Sauerländertunnel zum Ostzubringer möglich ist, muss der gesamte Transitverkehr mitten durch das Wohnquartier Telli geschleust werden. Dabei wäre eine Änderung mit sehr wenigen baulichen Anpassungen möglich. Und jetzt soll im nächsten Jahr eine erste Projektstudie erarbeitet werden, wie das später einmal gelöst werden könnte. Wie bitte?? Fragt doch mal mich, das dauert nicht so lang und kommt wesentlich günstiger!
Dass in dieser Stadt ein Investor die Stadt jahrelang an der Nase herumführen und sein Projekt nach Belieben abändern kann, ist ein Skandal. Ich hoffe, die StimmbürgerInnen quittieren das im Herbst bei den anstehenden Abstimmungen. Und dann wäre da noch das Kasernenareal zu nennen. An bester Lage könnte hier eine Begegnungszone, eine städtische Oase mit riesigem Potential entstehen. Aber nein, die Armee besetzt weiterhin noch über Jahre hinaus den besten Platz Aaraus für ihr unnötiges Treiben.

Du bist schon lange im Quartierverein Telli engagiert. Wie würdest du den „Spirit of Telli“ beschreiben?


Der sog. «Spirit of Telli» ist vermutlich ein Gerücht. Klar: Wenn man die BewohnerInnen fragt, sagen die meisten, sie würden sehr gerne in der Telli wohnen. Aber: Wer sind eigentlich diese TellianerInnen? Die BewohnerInnen der alten oder der mittleren Telli? Einfamilienhaus-, WG- oder BewohnerInnen der Wohnzeilen? SchweizerInnen oder Menschen mit Migrationshintergrund? Junge oder Alte? Und was meinen sie mit «gerne in der Telli wohnen»?
Die meisten schätzen natürlich das Einkaufszentrum mit der Post und den vielen Läden des täglichen Gebrauchs. Allerdings stehen seit anderthalb Jahren viele Läden leer und ausser den Beteuerungen des neuen Besitzers, demnächst einen Umbau vorzunehmen, scheint sich gar nichts zu bewegen. Zudem: Sind die BewohnerInnen der Telli für eine verkehrsberuhigte Tellistrasse oder für Strassen bis ins Wohnzimmer? Setzen sie sich für verbesserte Radwege ein oder für eine ausgebaute Tellistrasse? Wollen sie neben Coop, Denner und Lidl möglichst auch noch eine grossen Aldi – oder wünschen sie sich Bio-, Welt- und Buchläden, Unverpacktangebote? Das sind Fragen, die auch der Quartiervereinspräsident nicht so leicht beantworten kann.

Dein idealer Tag in Aarau


Schön finde ich, mit dem Velo der Aare entlang zur Altstadt zu radeln. Unterwegs freue ich mich an der alten Stadtgärtnerei, der dicken Platane auf dem Radweg, der Schwanbar und den jungen Schwänen gegenüber. Vor dem Café Tuchlaube nehme ich einen Kaffee an der Sonne, entwerfe mit KollegInnen oder FreundInnen aus Politik oder Kultur neue Projekte. Danach kaufe ich etwas im Claroladen und verlasse die Kronenbuchhandlung mit einem Buch zuviel. Abends besuche ich ein spannendes Theater in der Alten Reithalle – solange sie noch nicht im Umbau steckt (wie werde ich diesen Ort in den nächsten Monaten vermissen!) – genehmige mir einen Softdrink an der Bar im Stall und plaudere mit andern SzenengängerInnen, die ich hier mal endlich wieder treffe.

Die beste Bar, das beste Restaurant, der beste Club und deinen Lieblingsladen in Aarau?


Mein Lieblingsladen ist definitiv die Kronen-Buchhandlung. Sie ist klein, persönlich, sympathisch und im Herzen Aaraus. Die ausschliesslich weibliche Bedienung – man kennt die KundInnen und die Ladencrew – ist sympathisch, unaufdringlich und höchst kompetent. Man kann zwar ungestört schnuppern, sich aber auch persönlich beraten lassen. Und da bekommt man dann persönliche Erfahrungen oder Tipps von der Kollegin. Und nach einer bildhaften Inhaltsbeschreibung durch Ursi verlässt man den Laden immer mit mindestens zwei guten Büchern unterm Arm…
Mein liebstes Restaurant ist nach wie vor «Chez Liz & Chrege», wenn man denn Platz findet… Und sonst weiche ich gerne ins Gossip aus oder ins Al Ahram.

Auf was freust du dich, wenn du nach den Ferien nach Aarau zurückkommst?


Auf die reifen Stadttomaten von Pro Specie Rara auf dem Balkon und den Biber im Sengelbach hinter dem Haus, auf die neuste Nummer von «Theater der Zeit», das unterdessen gekommen ist und auf das neue AAKU, auf die neue Bücherauswahl im offenen Bücherschrank auf dem Telliplatz. Immer für eine Überraschung gut ist auch die wild wuchernde Bewachsung des Vordachs vor dem Fabrikpalast. Was machen wohl die Kisten von «Garten für Aarau» vor den Läden der Altstadt? Und natürlich freue ich mich darauf, meine Freunde und Bekannten wieder zu sehen im Telliquartier, auf den Gassen der Innenstadt, an Kulturanlässen Aaraus.