Gastkommentar

Freinacht

Aarauer Blockaden, die gelöst werden müssen.

Von Stephan Müller

Bild: fcaarau.ch

 

 

 

Vorgestern, Freitagnacht, wäre Freinacht gewesen – wäre der FC Aarau in die Super League aufgestiegen. Er gewann zwar das heutige Rückspiel gegen GC, aber der Rückstand aus dem Hinspiel der Barrage war zu gross, um in der Bilanz der beiden Spiele aufsteigen zu können. Somit bleibt GC in der Super League und steigt nicht ab. Und der FC Aarau bleibt in der Challengue League.

In einer Diskussion um den FC Aarau geht es schnell auch ums alte oder neue Stadion. Bei GC in Zürich ebenso. So musste GC fürs Hinspiel der Barrage gar nach Lugano ausweichen, da ihr eigenes Stadion in Zürich an jenem Abend nicht zur Verfügung stand. Das Luganeser Stadion brachte GC jedoch dann das Glück im Spiel, Aarau nicht hatte.

Das lässt mich weiterdenken. Liegt das Glück nicht manchmal eben gerade im Unvorhergesehenen, in der genutzten Chance, die aus einer neuen überraschenden Situation entspringt? Mir scheint, in Aarau haben wir manchmal das Problem, dass wir überraschende Situationen meiden, die Chance dafür nicht packen, sondern auf alten Geleisen weiterstreiten, ewig die selben Argumentationen repetieren, die selben Frustrationen ausleben, in Grabenkämpfen verhärten, ohne dass es neue erfrischende Lösungsversuche gibt. Welche das Glück auf die richtige Seite zwingen könnten, für alle.

Beispiele dafür? Fangen wir bei der Fussballstadionfrage an. Da gibt es das politische Aarau, welches mehrheitlich seit Jahren das neue Stadion im Torfeld Süd will. Da gibt es die dortigen Quartierbewohner:innen, welche seit Jahren in einer Hundertschaft dieses Stadion mit all seinen Nebenwirkungen gerade nicht dort haben möchten. Oder zumindest nicht jene zusätzlichen Hochhäuser auch noch schlucken möchten, die rein dafür da sind, das Stadion dort auch noch quer zu subventionieren.

Kurzum: Es ist seit Jahren, seit Jahrzehnten eine blockierte Situation. Und möglicherweise ist es auch in Jahren oder Jahrzehnten immer noch eine blockierte Situation, die hauptsächlich vor Gerichten ausgetragen wird. Jetzt kann man sich in diesen Konflikt (weiter) verbeissen, beide Seiten geben nicht nach, und man könnte weitere Jahre die Argumente pro und contra hüben wie drüben wiederholen und repetieren. Ist das sinnvoll, spannend und führt uns zu besseren Ergebnissen? Mir fehlt der Glaube daran.

Ein anderes Beispiel: Das neue geplante Kraftwerk der Eniwa in Aarau. Auch dort wird um beispielsweise die Schleifung des Mitteldammes erbittert gestritten. Die einen sagen, diese Schleifung brauche es für mehr Strom. Die anderen sagen, die Schleifung sei nicht notwendig für mehr Strom und zerstöre nur ein wichtiges städtisches Naherholungsgebiet. Beide Seiten treffen sich nun vor Gerichten. Ein Ende ist nicht absehbar. Sicher ist aber, es geht noch Jahre, bis allfällig ein neues Kraftwerk in Aarau errichtet werden kann. Beide Seite geben nicht nach. Wohin führt diese Verhärtung?

Interessanterweise gibt es eine weitere Parallele zwischen den beiden erwähnten und umstrittenen Projekten, Fussballstadion und neues Wasserkraftwerk. Und die hat es in sich und ist vielen nicht oder nicht mehr bewusst: Beide Projekte wurden schon rechtsgültig vor Jahren bewilligt, aber von den Investoren (frei- und auch mutwillig) nicht umgesetzt!

Das Fussballstadion im Torfeld Süd hatte vor Jahren schon die rechtsgültige Baubewilligung erhalten, mit der Mantelnutzung Einkaufszentrum. Doch der Investor, der für dieses Projekt über Jahre gekämpft hatte, gab sein eigenes Projekt, nun, da es nach Jahren bewilligt war, einfach auf. Der Investor wollte stattdessen plötzlich ein neues, lukrativeres Projekt mit Hochhäuser als Quersubventionierung realisieren. Die vorige Planung sei nicht gut genug gewesen, meinte der Investor selbstkritisch, aber das neue Projekt, das eine neue Nutzungsplanung, einen neuen Gestaltungsplan sowie eine neue Baubewilliung brauche, solle man nun aber doch bitte schnell durchwinken.

Das selbe beim neuen Wasserkraftwerk. Das durch die Eniwa vor Jahren selbst eingegebene neue Projekt ist bewilligt, das in einem Kompromiss die Hälfte des Mitteldammes abreisst und die andere Hälfte des Mitteldammes stehen lässt. Nur: Die Eniwa möchte dieses bewilligte Projekt nun plötzlich nicht mehr bauen. Sie hat selbstkritisch ihr bisheriges und bewilligtes Neuprojekt verworfen und ein neues Projekt aufgegleist, das mehr Strom und vorallem mehr Subventionen einbringen solle, und bei dem der ganze Mitteldamm geschleift würde.

So stehen wir also da: Es gibt erbitterte Befürworter:innen der neuen Projekte, es gibt erbitterte Gegner:innen der neuen Projekte, und es gibt die alten Projekte an den selben Orten, die von den Investor:innenen selber geplant, nun jedoch verworfen werden, die aber bewilligt wurden. Man könnte nun die Schuldfrage diskutieren, weswegen es nicht vorwärts geht. Sind es die Investor:innen, die falsch planen bzw. falsch geplant hatten? Sind es die hartnäckigen Einsprecher:innen gegen dieses oder jenes Projekt? Die Schuldfrage zu diskutieren, bringt wohl keine neue Lösungen, sondern dürfte  die Gemengelage nur noch mehr verkomplizieren.

Gibt es aus dieser offensichtlichen Blockade Auswege? Ich will für einmal das Überraschende denken: Ja, die gibt es! Die endlosen gordischen Knoten müssen zerhauen werden! Nun fragen sich natürlich alle: Wie denn?

Natürlich braucht es für neue, gute Lösungen Veränderungswillen auf allen Seiten – also auch von der Seite der Investor:innen. Aber vorallem auch von der Seite der Stadt. Von der Politik der Stadt. Weil die Stadt ist schlussendlich federführend in beiden Projekten, obwohl die Investoren HRS und Eniwa heissen. Wieso entmachtet die Stadt nicht einfach die Investoren? Die hatten ihre Chancen gehabt und haben es nicht auf die Reihe gekriegt – offensichtlich und in mehrfacher Hinsicht. Weder in nachhaltiger, weitsichtiger Projektplanung, noch kommunikativ, noch diplomatisch mit den Einsprechenden konnten sie überzeugen. Die beiden Investoren haben je ein mehrfaches Desaster angerichtet, in hohem Masse selbstverschuldet.

Also: Die Stadt Aarau nimmt die Eniwa, die ja zu 95 Prozent der Stadt gehört, eng an die Kandare, so dass die Stadt neu befiehlt, wie die Eniwa ein nachhaltiges Kraftwerk zu bauen habe, das die Unterstützung möglichst aller hat, und nicht mehr die Eniwa der Stadt undurchdachte Projekte aufdrängt, die abstürzen.

Und ja, die Stadt Aarau entledigt sich auch der HRS als Investorin für ein Fussballstadion, da diese auf der ganzen Linie versagt und über Jahre die Planung nicht auf die Reihe gekriegt hat. Das Land im Torfeld Süd gehört der HRS, das lässt sich so leicht nicht ändern, das ist klar. Aber die Stadt kann sagen, wir bauen halt ein Fussballstadion ohne euch – anderswo in Aarau oder in nächster Umgebung. Das gäbe eine Befreiung, neue spannende Projekte würden möglich.

Beispielsweise könnte in der Obermatte im Grenzgebiet von Buchs und Aarau, wo das Land ja der Stadt Aarau gehört, ein Fussballstadion für den FC Aarau mit in das neue geplante Sportzentrum integriert werden, eine Win-win-Situation für alle, sogar die Finanzen.

Und dort hätte der FC Aarau das Glück und Geschick, das GC – im Heimspiel – im Stadion von Lugano hatte.

Oder haben Sie eine bessere, überraschendere und realisierbarere Idee, wie wir aus der jahrelangen Blockade herauskommen, betreffend Stadion und neues Kraftwerk? Und die quasi alle beglücken und in einem schönen und guten Kompromiss ohne Feindbilder verbinden könnte?

Dann hätten wir wirklich zusammen eine Freinacht in einer Freitagnacht in Aarau verdient!