Zeitreise

Glanz und Elend der Aarauer Bierbrauer

Während man heute problemlos Biere aus aller Herren Länder konsumieren kann, mussten die Aarauer im 19. Jahrhundert mit einem Becher «Siebenmann», «Riniker» oder «Adler-Bräu» aus einheimischer Produktion Vorlieb nehmen. Die hiesigen Brauereien verschwanden fast ebenso rasch, wie sie zwischen 1794 und 1850 entstanden waren.

Von Hermann Rauber

Bilder: Sammlung Stadtmuseum Aarau

Über die Qualität und den Geschmack der historischen Aarauer Bierproduktion ist nichts bekannt. Wohl aber über jene, die mit Hopfen, Malz und Wasser umzugehen wussten – oder es wenigstens glaubten. Bereits 1794, also noch unter Berner Herrschaft, erscheint im Ratsprotokoll ein Johann Beat Siebenmann, der eine ganze Bierdynastie hinterlassen hat. Die Brauereien waren ohne Ausnahme einer Gastwirtschaft angegliedert und belieferten deshalb einen beschränkten Kundenkreis. Besagter Johann Siebenmann versorgte den nachmaligen «Hirschen» am oberen Graben (heute Interdiscount) mit Tranksame, ein Fritz gleichen Namens braute sein Bier ennet der Aare im Gasthaus zum Weinberg. Im Untergeschoss der Liegenschaft ist der damalige Bierkeller, der ab 1914 der Armee als Notspital diente, noch heute zu erkennen.


Der Hirschen am Graben um 1902 (heute Interdiscount)

Vom «Adler-Bräu» zum «Riniker»


Fritz Siebenmann verlegte seinen Betrieb nach ein paar Jahren an die Entfelderstrasse, neben das längst abgebrochene Restaurant «Chalet». Der Gerstensaft nannte sich in Anlehnung an das Stadtwappen «Adler-Bräu», der Betrieb verfügte über eigene Glashumpen und dürfte in der Blütezeit rund 2500 Hektoliter pro Jahr ausgestossen haben. Einen Sudkessel gab es auch im Gasthaus zum Schwert an der unteren Rathausgasse (heute Möbelhaus Strebel). Die Herrlichkeit dauerte bis 1893, als das Haus verkauft wurde und das Tavernenrecht verloren ging. Wohl seit 1809 gab es auch eine Brauerei an der Metzgergasse (später Restaurant Salmen, heute Spaghetti Factory). Hier war ab 1850 die Familie Riniker am Werk, die bis 1915 durchhielt, dann aber den Betrieb an die Brauerei Salmen in Rheinfelden verkaufte.

Brauerei im «Affenkasten»


Beim Höhepunkt der lokalen Gerstensaft-Produktion existierten im kleinen Aarau in der Zeit nach 1848 rund zehn Brauereien, die sich aber auf dem beschränkten Markt allesamt nicht länger behaupten konnten. Dazu gehörten auch ein Betrieb im Behmen neben der Wirtschaft «Zum Bären» an der Bahnhofstrasse (unmittelbar westlich des jetzigen CS-Bankgebäudes) und jener von Karl Dietrich Holzach, ebenfalls an der Bahnhofstrasse (heute AZ-Medienhaus). Gezählt waren auch die Jahre für die Hausbrauerei und Bierhalle des Wirts Robert Pfisterer zwischen der Vorderen und Hinteren Vorstadt, die 1877 den Namen «Affenkasten» erhielt.


Affenkasten an der Hinteren Vorstadt um 1904.

Auf die Dauer ohne Erfolg


Zu den Pionieren in diesem schwierigen Geschäft zählte in Aarau der Weissgerber Andreas Hagnauer, der sein Bier an der Ecke Laurenzenvorstadt/Tellirain braute und verkaufte. Ohne durchschlagenden Erfolg, kam es doch zu raschen Wechseln der Inhaber und endete letztlich im Geltstag. Zur Lagerung der Bierfässer waren kühle Keller oder Höhlen nötig. In Aarau und Umgebung stösst man noch heute auf Spuren solcher Räumlichkeiten. Beliebt für diese Zwecke war der Damm der Distelbergstrasse, andere mussten bis zum Suhrer Kirchhübel ausweichen.

Haus-Bräu feiert eine Renaissance


Nach der Jahrhundertwende dominierten die grossen nationalen Brauereien, namentlich Salmen, Feldschlösschen und die Basler Actienbrauerei (später Ankerbier). Erst mit der Aufhebung des Bierkartells Ende 1991 wurde der Markt offener, die Brauereien auf der anderen Seite machten ihr Tafelsilber im Liegenschaftsbereich zu Geld und verkauften in Aarau Wirtschaften wie die «Gais», das «Café Bank» oder den «Affenkasten». Heute erlebt die kleine, aber feine Hausbrauerei eine Renaissance und mischt die international dominierte Bierszene in erfrischender Weise neu auf, nicht zum Nachteil der Liebhaber des Gerstensaftes. In diesem Sinn ein herzhaftes Prosit auf einen warmen und durstigen Sommer!
Titelbild: Brauerei Holzach an der Bahnhofstrasse um 1902.