Stadtmusik

Grosse Plattenflut Teil 1 

Eine Flut neuer Musik überschwemmte in diesen Wochen das Dezibelle. Viele bekannte aber auch einige weniger populäre Künstler/innen veröffentlichten neue Alben. Nebst Schwemmholz tauchten auch sehr hörenswerte Schätze auf.

Von Gianni Keller und Miriam Suter

Depeche Mode «Spirit»


Eher zur Kategorie Schwemmholz zählen Depeche Mode. Ihr neues Album «Spirit» kam diesen Monat auf den Markt und ist ein voller Erfolg. Das erstaunt nicht, da Depeche Mode sich alles erlauben können, und trotzdem bei den Fans gefeiert werden. Wie tönt die neue Single? Super! Wie war das Konzert? Grossartig! Hast du schon das neue Artwork gesehen? Geil! Und so ist natürlich auch das neue Album perfekt. Doch diesmal übertreiben die euphorischen Fans nicht so stark wie bei den letzten drei Veröffentlichungen der Band. Sie haben sogar einen Punkt, denn selbst kritische Depeche-Mode-Hörer/innen können nicht leugnen: Die Band hat wieder zu ihrer alten Form gefunden. Bereits beim ersten Song «Going Backwards» wird klar, dass Depeche Mode wieder anspruchsvoller und intelligenter Songs schreiben. Gewisse U2-Attitüde mit einer Prise Gorillaz wie bei «Poison Heart» stehen der Band ebenfalls gut. «Spirit» ist ein sehr gutes Album für Fans, ein solides für Sympathisant/innen, und auch Kritiker/innen können sich nicht daran stören.


Züriwest «Love»


Kuno, der Schwarm, war mit seiner Band Züriwest im Studio. Kuno wollte nie ein Schwarm sein, sondern ein Melancholiker auf der Suche nach der schönsten Traurigkeit. Er hat sie gefunden. Schon das Cover-Artwork kann man als Kunos Blick auf sein Familienleben oder sein Gesellschaftsbild anschauen. Eine Frau in einer Hängematte und ein Kind schauen gelangweilt in die Kamera. Die Musik passt zum Bild. Nicht sie selbst ist langweilig, aber langweilige Menschen finden sie langweilig. Es braucht etwas Einfühlungsvermögen um die Songs geniessen zu können. «I verchoufe s Huus, und s chont mer vor aus chömi grad zum Gfängniss uus» singt Lauener gewohnt lethargisch und leicht genervt. Die Band trägt die Welt, die ihr Sänger und Songschreiber baut, und formt die Songs zu einem sehr gelungenen Album. Züriwest altern vielleicht so gut, weil sie seit fast 30 Jahren in der Midlifecrisis stecken.


Valerie June «The Order Of Time»


Valerie June war schon immer ein Geheimtipp. Die vielseitige und fraglie Musik der Frau mit der Medusafrisur hebt sich deutlich von ähnlichen Künstler/innen ab. Denn June geht mit ihren Inspirationen sortfältiger und kreativer um. Ihr neues Album «The Order Of Time» ist beim ersten Reinhören bereits grossartig und wird immer besser. Sie vermischt Karen Dalton mit Alabama Shakes und macht daraus eigene Songs. Durch ihre feine Vielfältigkeit ist es schwierig, ihr ein Genre zuzuweisen. So rumpelt sie mit «Shakedown» durch die Blueswelt um mit «The Front Door» in der besten Ecke des Country zu landen. Mit «Got Soul» tönt sie Soul an, vermischt ihn aber schnell mit anderen Genres und vor allem mit ihrer ganz eigener Art.


Scott Hirsch «Blue Rider Songs»


Wieso sollte man eigentlich Musik auf Vinyl hören? Dazu kann man lange und sehr mühsame Diskussionen führen, ohne dass jemand nachgibt. Ausser natürlich, diese Frage stellt sich gar nicht erst. Denn Scott Hirsch veröffentlicht sein Album nur auf Vinyl. «Blue Rider Songs» ist auf 500 Exemplare limitiert und somit bereits jetzt eine Rarität. Aber das ist nicht der Grund warum man das Album kaufen sollte. Scott Hirsch könnte eine grosse Entdeckung sein. So wurden bereits 10 der 500 Platten nach Aarau importiert. Die Musik entscheidet sich nicht, ob sie psychedelisch, ruhig, oder poppig sein will – zum Glück. Diese Mischung wird alle Tindersticks- oder Giant-Sand-Fans überzeugen, noch mehr des raren Vinyls nach Aarau zu schiffen.



Die Plattenflut Teil 2 erscheint am 23. April 2017.