Stadtmusik

Grosse Plattenflut Teil 2

Da die letzten Musikkritiken nicht für die grosse Plattenflut reichte, folgt hier der zweite Teil. Die Temples, Ron Gallo und die Sleaford Mods versuchen, Jesus and Mary Jane das Wasser zu reichen.

Von Gianni Keller und Miriam Suter

Temples «Volcano»


Die Temples waren mit ihrem Debüt eine grosse Überraschung. Schon lange tönte eine Rock-Band mit alten Rezepten nicht mehr so frisch. Nun trifft sie das gleiche Schicksal wie viele verwandte Künstler: Das zweite Album muss den Erwartungen entsprechen. Also macht man es noch besser – oder etwas völlig anderes. Nun haben auch die Temples einen Synthie im Studio gefunden und finden all die Geräusche lustig und frisch. Aber wie geht es uns dabei? Die Rock-Fans verliert die Band gleich beim ersten Ton. Musik-Fans können sie länger bei der Stange halten. Das Album ist etwas unentschieden. So könnte man Songs wie «All Join In» auch problemlos in gewohnter Gitarren-Manier aufnehmen, doch die Temples haben sich klar gegen breitbeinige Riffs entschieden. So versuchen sie immer eine Portion Zucker in das Arrangement zu streuseln. Das süsse Resultat ist aber trotzdem zu wenig konsequent. «Volcano» ist besser als ähnliche Alben, aber schlechter als die Alben ihrer neuen Vorbilder. Je nach Stimmungslage ist das Album gut oder schlecht. Beim Hören mag man es, aber es bleibt danach nicht in Erinnerung.



Sleaford Mods «English Tapas»


Unter englischen Tapas kann man sich sehr viel grauenhaftes vorstellen und trotzdem will man wissen, was es genau sein könnte. So verhält es sich auch mit den Sleaford Mods, die ihr Album so genannt haben. Zwei prollige Engländer, die Oasis hassen, schimpfen sich durch die britische Gesellschaft. Die neue wütende Arbeiterklasse flucht nun über SMS, Fitnesscenter und Brot, das nach Plastik schmeckt. Das machen die Sleaford Mods nicht zum ersten Mal und so fluchen sie auf dem neuen Album schon etwas routiniert. Mit «Drayton Manored» gelingt ihnen aber zum ersten Mal ein Ohrwurm. Ob man dieses Viech aber in den Ohren haben möchte, ist jedem selbst überlassen.



The Jesus and Mary Jane «Damage And Joy»


Hunderte von Bands sind von ihnen inspiriert. Insbesondere in letzter Zeit gibt es fast wöchentlich ein neues Shoegaze-Album zu kaufen. The Jesus and Mary Jane sind Mitbegründer des Musikstils und bis heute eine der grössten Bands, die niemand kennt. Seit 1998 hörte man nichts mehr von ihnen und trotzdem geben sie jetzt nach neunzehn Jahren ihr neues Album «Damage an Joy» heraus. Willkommen zurück! Ihr habt in all den Jahren viel Konkurrenz gekriegt. Die Band macht nichts Neues sonder macht weiter. Viele Songs wie «War On Peace» tönen wie die Stücke auf ihrem letzten Album «Munki». Und nichts hat auch nur eine Altersfalte bekommen. Damit gelingt ihnen etwas fast Einzigartiges und sie können sich nun wieder 20 Jahre auf ihrem Status ausruhen.



Ron Gallo «Heavy Meta»


Heavy Meta ist ein Wortspiel, das nicht viel von einem Künstler erwarten lässt. Sicher lustig für eine Schülerband, die sich nach der Pubertät für ihre eigene Songtexte schämen muss, nicht aber für einen ernstzunehmenden Künstler. Und doch ist Ron Gallo alles andere als ein Rock-Klischee. Dafür sind seine Songs zu ausgeklügelt und überraschend. Teilweise glaubt man, dass Dan Auerbach ein neues Doors Album produziert hat und ihnen eine Gitarre schmackhaft machen wollte. «Kill The Medicine Man» ist mit einer richtigen Portion Retro-Sound und Breitbeinigkeit ausgestattet, ohne ins eine oder andere abzudriften. Vieles erinnert auch an das Debüt-Album der oben genannten Temples. Vielleicht gibt es von Gallo in naher Zukunft also ein 80ies-Pop-Album.