In dieser Woche sprach man über die Massenkündigung in den sogenannten «Sugus»-Häusern in Zürich. Dort hat ein Privater am Bahngeleise vor zwei Dutzend Jahren schöne Häuser gebaut, deren Wohnungen bewusst auch für die Mittelklasse und Wenigverdienende zum Mieten erschwinglich waren. Er ist gestorben. Die neun Häuser erbten seine Kinder. Die einen pflegen nun das Erbe in seinem Sinn und Geist. Drei Häuser erbte eine seiner Töchter, welche nun in dieser Adventszeit sämtlichen Mietenden kündigte, sie müssen in drei Monaten alle ausziehen (siehe Beitrag auf insideparadeplatz.ch). Das sind über zwei Hundert Personen und Familien mit Kindern, die in den nächsten drei Monaten in Zürich sicher keine Ersatzwohnungen zu gleichen Konditionen finden werden, wenn sie denn überhaupt eine Wohnung finden. Die Bausubstanz ist in den Wohnungen nach so kurzer Zeit Gebrauchszeit immer noch sehr gut, das zeigen die anderen gleichzeitig gebauten Häuser, welche andere Familienteile geerbt hatten, die darum ohne Sanierung wie bisher ohne Kündigungen bestehen bleiben. Offensichtlich geht es im Fall der drei Häuser allein um ein Streben nach höherem Gewinn nach Sanierungen, auf Kosten der bisherigen Mietenden, die deswegen rausgeworfen werden.
Hat dieser Geist einer privaten Person mit diesen dramatischen Auswirkungen etwas mit Aarau zu tun? Gar mit unseren Gemeinwesen? Sind diese nicht ganz anders? Leider nein.
Blicken wir beispielsweise vom Adelbändli aufs Rathaus, stehen linker Hand hintereinander die Häuser Adelbändli 4, Adelbändli 2 und nach einem kurzen Durchgang, das Aarauer Rathaus. Über das Innenleben dieser drei Häuser soll hier erzählt werden.
Das Haus Adelbändli 4 gehört der Ortsbürgergemeinde Aarau. Zum Haus steht auf der Website der Stadt Aarau: «Das gerade einmal 100 m2 grosse Wohnhaus Adelbändli 4 ist seit 1878 im Besitz der Ortsbürgergemeinde Aarau. Eine Stiftung, die auf Frau Marie Fischer-Buser zurückgeht, vermachte der Ortsbürgergemeinde ihr Haus unter der Voraussetzung, dass dieses als Asyl- oder Pfrundhaus für ärmere, unverheiratete und gut beleumdete Frauen verwendet wird. Dem Stiftungsgedanken wird heute hauptsächlich durch einen tiefen Mietpreis für die drei kleinen, einfach ausgestatteten Wohnungen entsprochen». Nun wollte der Aarauer Stadtrat, der auch der Ortsbürgergemeinde vorsteht, dieses Haus dieses Jahr dem Meistbietenden verkaufen. Allein dem Widerstand der Bewohnenden und einigen Nachbarn ist es zu verdanken, dass nun zuerst doch abgeklärt werden soll, ob eine allfällige sanfte Sanierung durch die Ortsbürgergemeinde nicht viel mehr Sinn macht … und dem Stiftungszweck der günstigen Wohnungen wohl auch bedeutend mehr entspricht als ein Verkauf des einst geschenkten Objekts einfach an einen Meistbietenden …
Das Nachbarhaus Adelbändli 2 gehört der christkatholischen Kirchgemeinde Aarau. Im Erdgeschoss sind die Kirchgemeinderäume, der 1. und 2. Stock des Hauses besteht aus einer grosszügigen Wohnung, welche meist den Pfarrer:innen der christkatholischen Kirche als Wohnsitz dient. Vor dem Einzug der heutigen Pfarrer:innen war die Wohnung jedoch auch für ein Jahrzehnt günstig fremdvermietet. Wegen Auszugs der bisherigen Pfarrersfamilie auf Ende dieses Jahres wird die Wohnung nun neu öffentlich ausgeschrieben. Letzteres kann dem Kirchenblatt entnommen werden. Dort ist auch ersichtlich, dass der Mietzins 2023 rund CHF 20000.- jährlich einbrachte und dass der Voranschlag 2025 durch die geplante Fremdvermietung einen Mietzinsertrag von CHF 23000.- einplant (also weniger als CHF 2000.- pro Monat). Soweit, so gut. Nun ist die Wohnung Adelbändli 2 jedoch seit kurzem auf Homegate.ch ausgeschrieben: Für CHF 3600.- inkl. pro Monat, was einen jährlichen Mietzinsertrag von CHF 43200.- ergibt (ohne die Nebenkosten einen Jahresmietzinsertrag von CHF 38400.-). Auf Nachfrage heisst es, da wegen Geldmangels schon die Kirchensteuern aufs 2025 angehoben werden müssten, habe nun auch die zu vermietende Wohnung zu «marktüblichen Preisen» einen finanziellen Beitrag zur Kirchgemeinde zu leisten.
Was sagen uns diese beiden Geschichten der Nachbarhäuser?
Einige haben vielleicht Verständnis, dass die Ortsbürgergemeinde Aarau statt der sehr kleinen Mieterträge mehr Geld aus dem Haus Adelbändli 4 ziehen wollte. Sie unterstützt ja auch wiederum Kulturprojekte. Einige haben vielleicht auch Verständnis, dass die christkatholische Kirchgemeinde zu ihrer Finanzierung ihre Wohnung am Adelbändli 2 – anders als jetzt und auch früher – neu zu marktüblichen Preisen vermieten will, um die Kirchgemeindesteuernzahlenden zu schonen. Nur: In letzter Konsequenz versuchen sich diese Gemeinwesen halt einfach – in Unterstützung und der Benützung der selben vorherrschenden kruden Marktlogik – im Grund im selben wie die eine Erbin der «Sugus»-Häuser in Zürich. Ja auch die Pensionskassen sagen, sie müssten halt so hohe wie mögliche Mieterträge generieren, damit sie uns später die Pensionen bezahlen könnten. So steigen und steigen die Mieten weiter … für gute und weniger gute Zwecke anderer. Wenige können Gegensteuer geben, wenige geben Gegensteuer zum von vielen Besitzenden beförderten Trend.
Immerhin: Loben wir Marie Fischer-Buser, welche 1878 das Haus Adelbändli 4 der Ortsbürgergemeinde Aarau schenkte (!), mit dem Zweck und der Bedingung von günstigen zukünftigen Mietzinsen. Wieso soll es diesen Geist 2024 nicht mehr geben, wenn es ihn 1878 offensichtlich noch gegeben hat?
Hinter den beiden Adelbändlihäusern, im Aarauer Rathaus, knobeln sie hingegen weiter darum herum, zwecks Schonung der Steuerzahlenden durch den Verkauf von wertvollem Land, durch allfälligen Abriss von günstigen bisherigen Wohnungen und extra teuren Verkäufen von neuen Eigentumswohnungen, eine neue Sporthalle zu finanzieren (siehe Gastkommentar vom 10. September 2023 ).
So fällt der Blick, schaut man linker Hand vom Adelbändli zum Rathaus, momentan etwas bitter aus. Natürlich kann man zu den Gemeinwesen folgendes sagen:
Man kann sich als Stimmberechtigte in der Einwohnergemeinde Aarau bei den Wahlen 2025 aktiv einbringen, so dass sich politisch etwas ändert.
Man kann sich an der bis Ende Dezember 2024 stattfindenden Aktion der Ortsbürgergemeinde Aarau beteiligen, sich kostenfrei einbürgern lassen und so Mitglied der Ortsbürgergemeinde werden, um inskünftig die Immobilienpolitik der Ortsbürgergemeinde zu verändern.
Und ich selber bin vor rund vierzig Jahren von der römisch-katholischen in die christkatholische Kirchgemeinde übergetreten, weil ich damals – kulturell – wenn schon eine gleichberechtigte Kirche von unten unterstützen wollte, und nicht eine diktatorische von oben.
Offensichtlich scheint es jedoch schwierig, dass all diese Gemeinwesen nicht einfach mit dem Trend höhere Mieterträge für sich verlangen und die Mieter:innen für sie arbeiten lassen.
Eine gute Adventsgeschichte sähe wohl anders aus.
Hat dieser Geist einer privaten Person mit diesen dramatischen Auswirkungen etwas mit Aarau zu tun? Gar mit unseren Gemeinwesen? Sind diese nicht ganz anders? Leider nein.
Blicken wir beispielsweise vom Adelbändli aufs Rathaus, stehen linker Hand hintereinander die Häuser Adelbändli 4, Adelbändli 2 und nach einem kurzen Durchgang, das Aarauer Rathaus. Über das Innenleben dieser drei Häuser soll hier erzählt werden.
Das Haus Adelbändli 4 gehört der Ortsbürgergemeinde Aarau. Zum Haus steht auf der Website der Stadt Aarau: «Das gerade einmal 100 m2 grosse Wohnhaus Adelbändli 4 ist seit 1878 im Besitz der Ortsbürgergemeinde Aarau. Eine Stiftung, die auf Frau Marie Fischer-Buser zurückgeht, vermachte der Ortsbürgergemeinde ihr Haus unter der Voraussetzung, dass dieses als Asyl- oder Pfrundhaus für ärmere, unverheiratete und gut beleumdete Frauen verwendet wird. Dem Stiftungsgedanken wird heute hauptsächlich durch einen tiefen Mietpreis für die drei kleinen, einfach ausgestatteten Wohnungen entsprochen». Nun wollte der Aarauer Stadtrat, der auch der Ortsbürgergemeinde vorsteht, dieses Haus dieses Jahr dem Meistbietenden verkaufen. Allein dem Widerstand der Bewohnenden und einigen Nachbarn ist es zu verdanken, dass nun zuerst doch abgeklärt werden soll, ob eine allfällige sanfte Sanierung durch die Ortsbürgergemeinde nicht viel mehr Sinn macht … und dem Stiftungszweck der günstigen Wohnungen wohl auch bedeutend mehr entspricht als ein Verkauf des einst geschenkten Objekts einfach an einen Meistbietenden …
Das Nachbarhaus Adelbändli 2 gehört der christkatholischen Kirchgemeinde Aarau. Im Erdgeschoss sind die Kirchgemeinderäume, der 1. und 2. Stock des Hauses besteht aus einer grosszügigen Wohnung, welche meist den Pfarrer:innen der christkatholischen Kirche als Wohnsitz dient. Vor dem Einzug der heutigen Pfarrer:innen war die Wohnung jedoch auch für ein Jahrzehnt günstig fremdvermietet. Wegen Auszugs der bisherigen Pfarrersfamilie auf Ende dieses Jahres wird die Wohnung nun neu öffentlich ausgeschrieben. Letzteres kann dem Kirchenblatt entnommen werden. Dort ist auch ersichtlich, dass der Mietzins 2023 rund CHF 20000.- jährlich einbrachte und dass der Voranschlag 2025 durch die geplante Fremdvermietung einen Mietzinsertrag von CHF 23000.- einplant (also weniger als CHF 2000.- pro Monat). Soweit, so gut. Nun ist die Wohnung Adelbändli 2 jedoch seit kurzem auf Homegate.ch ausgeschrieben: Für CHF 3600.- inkl. pro Monat, was einen jährlichen Mietzinsertrag von CHF 43200.- ergibt (ohne die Nebenkosten einen Jahresmietzinsertrag von CHF 38400.-). Auf Nachfrage heisst es, da wegen Geldmangels schon die Kirchensteuern aufs 2025 angehoben werden müssten, habe nun auch die zu vermietende Wohnung zu «marktüblichen Preisen» einen finanziellen Beitrag zur Kirchgemeinde zu leisten.
Was sagen uns diese beiden Geschichten der Nachbarhäuser?
Einige haben vielleicht Verständnis, dass die Ortsbürgergemeinde Aarau statt der sehr kleinen Mieterträge mehr Geld aus dem Haus Adelbändli 4 ziehen wollte. Sie unterstützt ja auch wiederum Kulturprojekte. Einige haben vielleicht auch Verständnis, dass die christkatholische Kirchgemeinde zu ihrer Finanzierung ihre Wohnung am Adelbändli 2 – anders als jetzt und auch früher – neu zu marktüblichen Preisen vermieten will, um die Kirchgemeindesteuernzahlenden zu schonen. Nur: In letzter Konsequenz versuchen sich diese Gemeinwesen halt einfach – in Unterstützung und der Benützung der selben vorherrschenden kruden Marktlogik – im Grund im selben wie die eine Erbin der «Sugus»-Häuser in Zürich. Ja auch die Pensionskassen sagen, sie müssten halt so hohe wie mögliche Mieterträge generieren, damit sie uns später die Pensionen bezahlen könnten. So steigen und steigen die Mieten weiter … für gute und weniger gute Zwecke anderer. Wenige können Gegensteuer geben, wenige geben Gegensteuer zum von vielen Besitzenden beförderten Trend.
Immerhin: Loben wir Marie Fischer-Buser, welche 1878 das Haus Adelbändli 4 der Ortsbürgergemeinde Aarau schenkte (!), mit dem Zweck und der Bedingung von günstigen zukünftigen Mietzinsen. Wieso soll es diesen Geist 2024 nicht mehr geben, wenn es ihn 1878 offensichtlich noch gegeben hat?
Hinter den beiden Adelbändlihäusern, im Aarauer Rathaus, knobeln sie hingegen weiter darum herum, zwecks Schonung der Steuerzahlenden durch den Verkauf von wertvollem Land, durch allfälligen Abriss von günstigen bisherigen Wohnungen und extra teuren Verkäufen von neuen Eigentumswohnungen, eine neue Sporthalle zu finanzieren (siehe Gastkommentar vom 10. September 2023 ).
So fällt der Blick, schaut man linker Hand vom Adelbändli zum Rathaus, momentan etwas bitter aus. Natürlich kann man zu den Gemeinwesen folgendes sagen:
Man kann sich als Stimmberechtigte in der Einwohnergemeinde Aarau bei den Wahlen 2025 aktiv einbringen, so dass sich politisch etwas ändert.
Man kann sich an der bis Ende Dezember 2024 stattfindenden Aktion der Ortsbürgergemeinde Aarau beteiligen, sich kostenfrei einbürgern lassen und so Mitglied der Ortsbürgergemeinde werden, um inskünftig die Immobilienpolitik der Ortsbürgergemeinde zu verändern.
Und ich selber bin vor rund vierzig Jahren von der römisch-katholischen in die christkatholische Kirchgemeinde übergetreten, weil ich damals – kulturell – wenn schon eine gleichberechtigte Kirche von unten unterstützen wollte, und nicht eine diktatorische von oben.
Offensichtlich scheint es jedoch schwierig, dass all diese Gemeinwesen nicht einfach mit dem Trend höhere Mieterträge für sich verlangen und die Mieter:innen für sie arbeiten lassen.
Eine gute Adventsgeschichte sähe wohl anders aus.
Über
Ausgewählte Aarauerinnen und Aarauer schreiben in der Rubrik «Gastkommentar» über ihre Sicht auf die Dinge und die Stadt.
Stephan Müller ist Szenograf und ehemaliger Einwohnerrat, sonst Stadtspaziergänger und Inserateakquisiteur für ein linkes Wochenblatt.
Bild: Thomas Widmer