Stadtmusik

Laut gegen doof

Die Schweizer Musikszene macht momentan von sich reden. Yello machen wieder Musik und nicht Wein oder Fleisch, Adrian Stern erzählt aus seinem Familienleben und Chris von Rohr ist in Ibiza. Und dann gibt es auch noch Gölä. Die Musik spielt eine untergeordnete Rolle - und bei unserem glatzköpfigen Büezer-Rocker wird sie zum Glück kaum erwähnt. Es ist Zeit, dass wir uns mit dem Sound zweier Schweizer Bands beschäftigen, die so laut sind, dass das Geschwafel von Gölä nur noch als leises Pfeifen wahrzunehmen ist.

Von Gianni Keller

The Monsters «M»


VoodooRythm, das akustische Wahrzeichen von Bern, hat einen Boss. Dieser Boss ist Beatman und auch schon seit über 20 Jahren Boss der «Monsters». Er hat seine Mitarbeiter gut im Griff. Sie machen das, was er auch macht – oder eben auch nicht. Denn die Punk-Trash-Gruppe tut was sie will. Der erste Song «Baby Your My Drug» beginnt gewohnt laut und wild und steigert sich immer mehr. Sobald man dieses Intro überlebt hat, weiss man worauf man sich gefasst machen kann. Eigentlich funktioniert das Album immer gleich: Ein Riff, den man wiederholen kann, aber nicht muss, und Beatmans Gesang, der eigentlich immer den Titel des Songs wiederholt. Mit «Happy People Make Me Sick» ist der Band sogar ein sehr ungewöhnlicher Ohrwurm gelungen. Nach zwanzig Jahren Bestehen ein so kompromissloses Album aufzunehmen, führt bei vielen Bands zu einem faden oder gar peinlichen Produkt. «The Monsters» sind davon weit entfernt. Sie sind nicht gealtert oder reifer geworden – sie kümmern sich keinen Deut darum.

Knöppel «Hey Wichsers»


Die Schweizer Musikszene ist etwas zu fad? Etwas zu brav? Langweilig? Was soll man dagegen tun?
Ein rohes Album aufnehmen und sich alles von der Seele fluchen! In St.Galler-Dialekt? Ja! Das funktioniert viel besser als dass man es sich vorstellt. Die Schweiz zeichnet sich durch ihre hohe Motzkultur aus. Jack Stoiker motzt mit «Knöppel» über die Motzer, was nicht nur sehr witzig sondern auch sehr erleichternd sein kann. Auf «Hey Wichers» wird niemand verschont: Der Schiri im Fussball, die Nobelshopper in Ascona oder ganz einfach der brutale Dummkopf, der einen grundlos schlägt. Sie alle bekommen ihr Fett weg. «Dä het mi ghaue de Wichser, und es tuet emmer no weh!» ist nicht nur der erste Song, sondern auch das Motto, das durch das Album zieht. Dazu eine Ladung einfacher Gitarrenpunk, der in einer Schuhschachtel aufgenommen wurde. Die Hommage an die «Sleaford Mods» oder «Public Image Ltd.» ist nicht zu überhören. «Knöppel» verpacken die schweizerische Normalo-Wut treffsicher zu einem Album, mit dem sich jeder identifizieren kann. Und wenn nicht, ist man höchstwahrscheinlich selbst der Wichser.