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Graphic Novel auf den Spuren der Flüchtenden aus Afghanistan

Auf Basis von Interviews mit Geflüchteten und umfangreichen Hintergrundrecherchen ist ein Sach-Comic entstanden, der einen spannenden und informativen Einblick in das Thema Flucht gibt.

Von Rahel Leibacher

 

«Games, so nennt man die Versuche, über eine Grenze zu kommen. Nicht im Sinne eines Spiels, aber im Sinn von «sein Schicksal testen». Man kann ein Game gewinnen, aber auch verlieren,» erklärt Ziya, einer der fünf interviewten Geflüchteten, die Patrick Oberholzer ihre Geschichte anvertraut haben. «Games» ist keine übliche Graphic Novel, vielmehr ist es ein Genremix zwischen einer solchen und einem Sachbuch. Oberholzer erzählt, wie Ziya, Hamid, Muhammed, Afsaneh und Nima aus unterschiedlichen Gründen aus Afghanistan flüchteten. Ihre persönlichen Erfahrungsberichte sind von Gewalt, grossem Leid und unzähligen Gefahren geprägt. Oberholzer hat sie aktiv in den Illustrationsprozess miteinbezogen. Er stellt die erlebte Bedrohung, das Böse und die Hilflosigkeit mit klaren, grösstenteils düsteren Bildern dar, die einem unter die Haut gehen. Es ist mehr als eine Aussage, wenn sich Hamid erinnert: «Die Grenzwächter haben geschossen, ich habe es selbst gesehen. Ein Schuss hat einen Stein neben mir getroffen. Es sind Leute getroffen worden. Aber ich weiss nicht, was mit ihnen passiert ist. Ich habe nicht zurückgeschaut, wir sind weitergelaufen…». Die Geschichten sind unterbrochen von doppelseitigen, informativen Sachtexten und Infografiken, die zum Beispiel erklären, warum Menschen aus Afghanistan flüchten, wie sich eine Flucht organisieren lässt und wieviel sie kostet, was «Schlepper» sind oder wie ein Asylverfahren funktioniert. Die Kombination aus Fakten und Erlebtem, Sachtext und Illustrationen macht spür- und greifbar, was es heissen muss, auf der Flucht zu sein. Es wächst ein Begreifen, wie es durch keine Nachrichtenmeldung, durch keine herkömmliche Berichterstattung entstehen kann.

So ist auch klar: Games ist kein Buch, das an einem gemütlichen Abend mit einer Tasse heissem Tee genossen werden will, im Gegenteil. Games will Aufklären, Aufrütteln und zum Weiterdenken anregen. Die Lektüre eignet sich auch ideal, um mit Schüler:innen ( ab ca. 14 Jahren) über das komplexe Thema Flucht zu sprechen. Ein QR-Code führt zu weiterführendem Unterrichtsmaterial. Patrick Oberholzer (1992) lebt und arbeitet als freischaffender Illustrator in Winterthur, sein Graphic-Novel-Debüt ist für den Deutschen Kinder- und Jugendbuchpreis nominiert.

Das Buch kann in der Stadtbibliothek ausgeliehen werden.
Games – auf den Spuren der Flüchtenden aus Afghanistan / Patrick Oberholzer, Splitter, Bielefeld 2023.