Gastkommentar

Sommerzeit und Ostern

Was sagen uns Daten, Tage und Zeit in der Geschichte?

Von Stephan Müller

 

 

 

Ist’s eigentlich häufig, dass wie dieses Jahr die Sommerzeitumstellung und Ostern auf den selben Tag fallen? Beide Daten wurden künstlich festgelegt. Die Sommerzeit beginnt in Europa immer am letzten Sonntag im März. Und Ostern ist im Westen immer am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach dem astronomischen Frühlingsstart. Damit fallen Ostern und Sommerzeitstart dieses Jahr, im 2027, im 2032, im 2035, im 2043, im 2046, im 2054, im 2059, im 2062 und im 2065 aufeinander, und so weiter.

Und meine Kolumne fällt heute also auch auf diesen Tag. Grund, über diesen Tag zu schreiben? Zeiten sind zu einem grossen Teil künstliche Festlegungen und gemeinsame Vereinbarungen: Von der Zeitumstellung bis zu religiösen Festtagen. Ostern der orthodoxen Ostkirche ist dieses Jahr erst am 5. Mai, nächstes Jahr hingegen fällt das Osterdatum in der West- und in der Ostkirche überein, für beide wird es der 20. April sein.

Am 12. April 1798 wurde in Aarau die Helvetische Republik ausgerufen. An welchem Wochentag war das? Auch das kann man nachschauen: Es war ein Donnerstag. Dieses Jahr gibts wieder die Feier dazu, am 12. April den Tag der Republik, dieses Jahr ist’s an einem Freitag. Wie war das Wetter am 12. April vor 226 Jahren in Aarau? Die systematischen Aufzeichnungen gehen nicht so weit zurück. Wir wissen es also nicht, mir ist zumindest nichts bekannt. Und die Chronisten erzählen zwar von jenem Tag, aber sprechen nicht über das Wetter: Anderes war wichtiger. Damals «wogte ein fröhliches Getümmel in den Gassen beim Rathaus» in Aarau. Diese Beschreibung lässt darauf schliessen, dass damals nicht ein allzu starkes Hudelwetter geherrscht haben dürfte. Dieses hat jedoch am 12. April letzten Jahres geherrscht, es regnete und stürmte, der «Redner zur Republik» Michael Elsener thematisierte das.

Wetterpech ist das eine. Der geplante «Tag der Republik» am 12. April 1799 zum ersten Geburtstag der Republik fiel sogar ganz und aus ganz anderen Gründen ins Wasser; es herrschte Krieg in der Schweiz, der Festtag musste aus diesem Grund abgesagt werden.

Wir können uns heute sehr glücklich schätzen, dass wir hierzulande weitgehend in Frieden leben. Gerade um Ostern finden traditionsgemäss an vielen Orten Friedensmärsche statt, in Bern dieses Jahr am Ostermontag.

Nicht nur an Ostern, sondern immer und überall ist Frieden zu wünschen, heute gerade in der Ukraine, gerade in Gaza. Und ja, ist Frieden da, ist auch Zeit, sich ob ganz Profanem zu freuen, wie, dass ab heute wegen des Beginns der Sommerzeit am Abend eine Stunde länger hell sein wird. Nach Uhrzeit eine Stunde länger im Licht draussen sitzen zu können, darauf freue ich mich.

Dunkelheit ist natürlich auch faszinierend. Doch der helle Tag erinnert an die Aufklärung. Vieles kam und kommt ans Licht.

Auch in Aarau.

In dieser Stadt machte die Aufklärung mit der Republiksgründung einen grossen Sprung, die Menschenrechte wurden gesamtschweizerisch eingeführt, die Untertanenverhältnisse aufgehoben. Bildung wurde zum wichtigen Thema, die Pressefreiheit garantiert.

Auch zu den Religionen gabs einen Artikel bei der am 12. April 1798 in Aarau angenommenen Verfassung. Er lautete so: «Die Gewissensfreiheit ist uneingeschränkt; jedoch muss die öffentliche Äusserung von Religionsmeinungen den Gesinnungen der Eintracht und des Friedens untergeordnet sein. Alle Gottesdienste sind erlaubt, insofern sie die öffentliche Ruhe nicht stören und sich keine herrschende Gewalt oder Vorzüge anmassen. Die Polizei hat die Aufsicht darüber und das Recht, sich nach den Grundsätzen und Pflichten zu erkundigen, die darin gelehrt werden. Die Verhältnisse einer Sekte mit einer fremden Obrigkeit sollen weder auf Staatssachen noch auf den Wohlstand und die Aufklärung des Volkes einen Einfluss haben.»

Worte wie Gewissensfreiheit, Frieden, Eintracht oder Aufklärung waren also in diesem Artikel vereint, doch auch Worte wie Sekte, Gewalt und Polizei kamen schon vor.

Auch die verschiedenen Kalender, die in der Schweiz damals in einem Wirrwarr in verschiedenen Varianten im Gebrauch waren, wurden nun vereinheitlicht. Aufgrund eines in der Helvetischen Republik am 26. Juni 1798 in Aarau erlassenen Gesetzes musste der französische Revolutionskalender dem nun allgemein gültigen gregorianischen Kalender beigefügt werden.

Auch die Sommerzeit wurde in Europa im letzten Jahrhundert vereinheitlicht, gegen den anfänglichen Willen wurde sie ab 1981 auch in der Schweiz eingeführt. Ostern und andere religiöse Festtage variieren jedoch weiterhin in Ost und West, weil sie hier nach gregorianischem Kalender, da nach julianischem Kalender berechnet werden und wurden.

Zeiten, Daten, Tage, Geschichten.