Gastkommentar

Städtische Wahlen

In einem Jahr, im September 2025, sind Stadtratswahlen. Wie gehen sie aus?

Von Stephan Müller

 

 

 

Letzten Freitag war Bachfischet in Aarau. Ein farbenfroher Umzug der Schuljugend erfreute die vielen, die am Strassenstand standen, um der alten Tradition beizuwohnen. An der Umzugsroute waren die Strassenlichter und fast alle Schaufenster auf dunkel gestellt, wie es sein sollte: So dass die Lichter der Lampions die Strassen umso schöner erleuchten.

Kurz vor 21 Uhr dann eine kurze Panne: Plötzlich war das Aarauer Rathaus hell erleuchtet, alle Lichter dort plötzlich an; die, welche zum Rathaus Zutritt hatten, und aus Fenstern und Balkon auf den Umzug herunterschauten, waren nun ebenso unwillkürlich im grellen Licht ausgestellt. Die Menschen unten in der Rathausgasse pfiffen. Eine Stadträtin, die zufällig neben mir in der Rathausgasse an der Umzugsroute stand, gab sich erleichtert, nicht zu den unfreiwillig grell Erleuchteten im Rathaus zu gehören. Nach kurzer Zeit gelang es, das Rathaus wieder ins Dunkel zu stellen, die Lichter waren wieder aus, die Zuschauenden konnten sich ungestört dem Schluss des Lichterumzugs widmen.

Letzten Sonntag sind am Rathaus im Schaukasten – wie immer an Abstimmungssonntagen –  die Resultate von Aarau zu lesen, so dass sich alle analog informieren können, wie Aarau heute abgestimmt hat. Ein schöner Brauch. Die Resultate werden natürlich auch im Internet veröffentlicht. Ziemlich genau in einem Jahr, am 28. September 2025, werden die Resultate der Stadtrats- und Stadtpräsidiumswahl auf diese Weise bekanntgegeben. Was erwartet uns?

Was sicher gesagt werden kann: Es werden nur Personen gewählt sein, die sich zuvor zur Kandidatur auch entschlossen haben. Was auch ziemlich sicher ist: Alle (oder fast alle) werden von Aarauer Parteien dafür nominiert worden sein. Und was auch mit höchster Wahrscheinlichkeit gilt: Es werden genau so viele Neuen gewählt, wie Rücktritte vorliegen, da Bisherige wiedergewählt werden. Überraschungen natürlich nie ganz ausgeschlossen.

So interessiert nun ein Jahr vor den Wahlen, wer von den Bisherigen zurücktritt, und wer nicht. Dass Franziska Graf-Bruppbacher (SP) und Angelica Cavegn Leitner (Pro Aarau) nach zwölf Jahren nicht mehr antreten werden, haben sie selber schon vor einiger Zeit kommuniziert. Hanspeter Thür (Grüne) wird im Wahljahr 76 Jahre alt, auch hier ist ein Rücktritt zu erwarten. Ob Vize-Stadtpräsident Werner Schib (Die Mitte) nach ebenfalls zwölf Jahren Stadtrat wieder kandidiert? Man munkelt, dass auch er nicht mehr antritt. Aber sicher ist es nicht. So verbleiben Hanspeter Hilfiker (Stadtpräsident, FDP), Silvia Dell’Aquila (SP) und wohl auch Suzanne Marclay-Merz (FDP) im nächsten Jahr im Rennen. Interessant: Marclay-Merz und Dell’Aquila sind beide in der letzten Legislatur aus dem Grossen Rat ausgetreten, der vorher nichtgewählte Hilfiker konnte so für Marclay-Merz in den Rat nachrutschen und steht nun im nächsten Monat vor der Bewährungsprobe der Wiederwahl.

So kann nun munter spekuliert werden, wer bei drei bis fünf Rücktritten für den Stadtrat neu antreten könnte. Meistens wollen die Parteien ihre bisherigen Sitze in der Regierung mit Neuen verteidigen. Wer könnte somit für Graf-Bruppbacher in der SP neu antreten? Im Vordergrund stände sicher die heutige Einwohnerratspräsidentin Anja Kaufmann, die wie Graf-Bruppbacher im Stadtteil Rohr wohnt. Doch man hört, dass sie möglicherweise kein Interesse dafür hat. Oder die neue Fraktionschefin Irene Stutz? Oder pocht die Telli auf eine Kandidatur, wie sie es mit Alt-Einwohnerrrat Oliver Bachmann vor vier Jahren versuchte? Die SP könnte von ihrer Stärke her auch zu dritt für den Stadtrat antreten, das könnte durchaus Sinn machen. Dann könnte sie zwei Neue aufstellen.

Wer tritt für die Grünen und Pro Aarau an? Bei den Grünen wäre Fraktionschefin Petra Ohnsorg Matter sicher eine profilierte Kandidatin. Oder Nationalrätin Irène Kälin, die im Stadtteil Rohr wohnt? Oder die ehemalige Grossrätin, heutige Einwohnerrätin und Kreisschulrätin Susanne Klaus, welche das frei werdende Bildungsressort in der Stadtregierung übernehmen könnte? Für Pro Aarau wäre sicher der populäre Fraktionschef und «Schwanbar»-Mitinitiator Fabio Mazzara ein hervorragender Kandidat, nur munkelt man, dass er nicht will. Seine Vorgängerin als Fraktionschefin von Pro Aarau, Esther Belser Gisi, wäre aber sicher eine sehr gute Alternative.

Für «Die Mitte» wird es schwierig, bei einem Rücktritt von Schib ihren Sitz zu verteidigen. Die Partei, schon immer eine Kleinpartei in Aarau, hat momentan nur noch zwei Einwohnerräte. Ihr aufstrebender Fraktionspartner GLP hat hingegen seit den letzten Wahlen fünf. Die langjährigen grünliberalen Einwohnerräte Alexander Umbricht und Peter Jann wären sicher qualifizierte Stadtratskandidaten – aber sie müssten das auch wollen.

Wer sicher wieder antreten dürfte, ist die SVP. Die bekannten Simon Burger, Nicole Burger und Susanne Heuberger haben jedoch alle schon erfolglos versucht, einen Stadtratssitz für die SVP zu erringen. Dass sie nochmals antreten, erscheint darum zweifelhaft. Die SVP versucht es wohl eher mit Alt-Einwohnerratspräsident Thomas Richner oder dem momentan sehr aktiven Einwohnerrat Christoph Müller. Aber die SVP war bei den letzten Stadtratswahlen in Aarau immer chancenlos – und je mehr Hardliner:in, desto chancenloser. Wer möchte sich das antun?

Fazit: Vieles ist noch offen und es kommt nicht nur auf die Parteien, sondern auch sehr auf die Personen an, ob wir in einem Jahr eine gute Stadtregierung erhalten. Und auch Allianzen spielen bei der Wahl eine Rolle: Es wäre – aus meiner Sicht – durchaus wünschbar, es gäbe eine Mitte-Links-Allianz aus SP, Grüne, Pro Aarau/EVP/EW und GLP, welche mit fünf profilierten Kandidat:innen gemeinsam zur Wahl antreten würde.

Wohl müsste eine solche Allianz, welche die Stadt gestalten will, auch eine Kandidatur fürs Stadtpräsidium stellen. Im Aarauer System mit vollamtlichem Stadtpräsidium und sechs teilzeitlichen Stadträt:innen ist das Stadtpräsidum einfach zu wichtig und zu entscheidend, als dass eine Mehrheits-Allianz dieses Amt nicht selber anstreben sollte.

Eine Auswahl in einer Wahl zu haben ist auch immer gut für die Demokratie, unabhängig von den Wahlchancen. So werden Alternativen aufgezeigt. Wenn die Parteien darauf verzichten, ist es in Aarau üblich, dass Leute aus der «Zivilgesellschaft» dafür in die Bresche springen. So haben ausserhalb der Parteien bei den letzten Wahlen der Schreibende als Stadtpräsident (mit 1312 Stimmen) und Peter Wehrli für die Mitteldamm-Freunde als Vize-Stadtpräsident (mit 874 Stimmen) in Aarau kandidiert – auch, weil für diese wichtigen Ämter nur je eine einzelne bürgerliche Kandidatur vorlag. So konnte sich die Stimmbevölkerung überhaupt ausdrücken und neue Themen konnten in die Diskussion eingebracht werden.

Ich setzte mich beispielsweise im Wahlkampf für die Öffnung des Stadtbaches in der Innenstadt ein, die ich mit anderen zusammen in dieser Legislatur mit einer Bürgermotion im Einwohnerrat auch durchbrachte. Und Peter Wehrli hat soeben mit neun Mitunterzeichner:innen eine Bürgermotion für die Prüfung einer Beibehaltung des Mitteldammes im Kraftwerksprojekt eingereicht, welche somit bald im Einwohnerrat zur Abstimmung kommen wird.

Damit soll gesagt sein: Im Stadtrat zu sein ist das eine, man kann sich aber auch gut sonst für die Stadt und für einzelne Themen einsetzen, ob als einfache:r Stimmbürger:in, ob im Einwohnerrat. Instrumente wie die «Bürger:innenmotion» oder seit 2024 auch das «Bevölkerungsanliegen» stehen allen dafür zur Verfügung. Nützen Sie es!

Dann gehen für die eingebrachten Anliegen im Rathaus vielleicht die Lichter an, am besten rechtzeitig, nicht wie bei der Bachfischet 2024, zur Unzeit.