Zeitreise

Visionen für Bahn, Bus und Schiffe

Die Anbindung der Aargauer Kantonshauptstadt an den öffentlichen Verkehr produzierte auch eine Anzahl phantastischer Ideen, die allerdings samt und sonders aus verschiedenen Gründen scheiterten. Wären sie geglückt, so könnte man heute mit der Bahn durch den Schafmatt-Tunnel nach Basel fahren. Und der Raum Frick wäre mit einer elektrischen Tramlinie und einem Staffelegg-Durchstich mit Aarau verbunden. Mindestens kurzzeitig verkehrte 1901 ein Automobilkurs nach Suhr und Gränichen, während das Projekt eines «Aarauer Aaresees» vorzeitig Schiffbruch erlitt.

Von Hermann Rauber

Bild: Sammlung Stadtmuseum Aarau

Seit Mitte der 1850er Jahre war Aarau zwar an das damals noch privat finanzierte Eisenbahnnetz angeschlossen. Allerdings lediglich über die Nordostbahn auf der Ost-West-Achse, eine direkte Verbindung nach Basel fehlte. Nach dem Bau des Hauensteintunnels mussten die Aarauer neidisch nach Olten blicken, das zum neuen Verkehrsknoten für den Schienenverkehr geworden war. Ganz kampflos wollte sich die Kantonshauptstadt dieser «Degradierung» nicht ergeben. Am 7. März 1890 reichten ein paar Aarauer unter Führung von Ingenieur Olivier Zschokke beim Bundesrat das Gesuch für die Konzession einer direkten Bahnverbindung von Basel über Sissach nach Aarau ein. Das Komitee, in dem auch Stadtammann Max Schmidt und Buchhändler Remigius Sauerländer Einsitz hatten, schlug vor, die Jurahöhen mit einem 5,5 Kilometer langen Tunnel zwischen Oltingen und Obererlinsbach, also unter der Schafmatt, zu überwinden. Das Projekt ging deshalb unter der Bezeichnung «Schafmattbahn» und als neue Achse für den Personen- und Güterverkehr zwischen Basel und Mailand in die Akten ein, blieb aber eine Illusion.

Ein Tram von Frick bis Aarau?


Doch ganz wollte man sich in Aarau den Traum eines öffentlichen Verkehrsmittels von Norden her nicht abschminken. 1896 tauchte erstmals die Idee einer elektrischen Strassenbahn von Frick nach Aarau auf. Zur Diskussion stand auch ein rund 2,3 Kilometer langer Tunnel zwischen Asp und Küttigen. Die «Staffeleggbahn» sollte am Ende über eine zweite Aarebrücke zum Tellirain und über die Feerstrasse bis an den Bahnhof SBB gondeln. Auch diese hochfliegenden Pläne endeten – nicht zuletzt wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs 1914 – in der Schublade. Stattdessen sorgte ab den 1920er Jahren eine neue Postautoverbindung für den Transport von Aarau ins Fricktal.

Ein Bus von Aarau nach Gränichen


Nicht genug damit: Mit der Jahrhundertwende tauchte ein Vorhaben auf, das in Aarau viel zu reden gab. Der Elektropionier Hermann Kummler-Sauerländer gründete zusammen mit weiteren Unternehmern der Stadt 1899 die Schweizerische Automobilgesellschaft. Ziel war «Einführung von Motorwagen» auf dem gesamten Landesgebiet, wobei die Glockengiesserei Rüetschi einen «Eigenbau» solcher Verkehrsmittel in Aussicht stellte. Teil des ambitiösen Konzepts war die Einführung eines Omnibus-Linienverkehrs von Aarau über Suhr nach Gränichen. Diese landesweite Premiere startete zwar im Februar 1901 mit einem benzinbetriebenen Daimler-Fahrzeug, doch das Unternehmen scheiterte nach nur einem halben Jahr mit einem finanziellen Fiasko. Der Daimler-Bus wurde von der Städtischen Strassenbahn Zürich aus der Konkursmasse aufgekauft und versah dort noch jahrzehntelang seinen Dienst.

Schiffbruch für den «Aarauer Aaresee»


Zu Beginn der 1920er Jahre überraschte der Aarauer Ingenieur Gottlieb Lüscher mit der Idee eines «Aaresees». Er liess seinen Traum mit dem Untertitel «Zukünftiger Hafen der Stadt Aarau, Stausee des Kraftwerkes Rupperswil der SBB» drucken und für 50 Centimes auch verkaufen. Damit wäre zwischen Aarau, Rohr, Biberstein und Rupperswil auf einer Länge von 3,5 und einer Breite von einem Kilometer ein künstliches Gewässer entstanden, auf dem Lastenkähne und Passagierdampfer verkehren sollten. Gnadenlose Kritik kam damals vor fast hundert Jahren nicht vom noch kaum existierenden Naturschutz, sondern von Industriellen wie Friedrich Rudolf Zurlinden und Ernst Jenny, die um den Weiterbestand ihrer Zementfabrik respektive ihres Färbereibetriebs fürchteten. Das Kraftwerk Rupperswil allerdings wurde tatsächlich gebaut und 1945 dem Betrieb übergeben. Die phantastische «Aaresee»-Vision von Gottlieb Lüscher hingegen blieb Makulatur und wurde in der Aarauer Öffentlichkeit  als «Spinnerei» abgetan. Und auch aus der neuen Ortsbezeichnung «Biberstein am See» ist letztlich nichts geworden.

Bilder:
Aarauer Bus um 1912 (Titelbild)
Broschüre vom Aarauer «Aaresee»