Zeitreise

Was steckt hinter der Signalstrasse oder der Laurenzentorgasse?

Begriffe wie Bahnhofstrasse, Obere Vorstadt, Metzgergasse, Bachstrasse, Blumenweg oder Küttigerstrasse sprechen für sich und bedürfen keiner weiteren Erklärung. In Aarau trifft man aber auch auf Strassennamen wie die Golattenmattgasse, den Erzgrubenweg, die Signalstrasse, den Bircher-Benner-Weg oder die Aurorastrasse in der Telli, bei denen sich ein Blick in die städtische Geschichte der älteren oder neueren Zeit lohnt. Er soll auch zeigen, dass solche Adressbezeichnungen nicht für alle Ewigkeit gelten und durchaus wandelbar sind.

Von Hermann Rauber

Bilder: Sammlung Stadtmuseum Aarau

Beginnen wir unseren Rundgang in der Altstadt mit der Laurenztorgasse und der Verlängerung mit der Laurenzenvorstadt. Naheliegend wäre die Ableitung vom heiligen Laurentius, einem frühchristlichen Märtyrer. Der ursprüngliche Name stammt aber von einem bedeutenden und begüterten Aarauer Bürger mit Namen Renzo, der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Dienste der Habsburger als Notar und «Bankier» tätig war. Weil die Erinnerung an diesen Renzo später verloren ging, machte man aus der «Renzentorgasse» der Einfachheit halber eine Laurenzentorgasse. Das dazugehörende «Renzentor» (neben dem Wohnhaus des Renzo) wurde wegen akuter Einsturzgefahr 1812 abgebrochen.

Golattenmatt- und Milchgasse


Nicht ganz klar ist die Herkunft der Bezeichnung Golattenmattgasse. Die Historiker sind sich nicht einig: Paul Erismann vermutet, dass der Name vom althochdeutschen Gol (abfallendes Geröll) herstammt, laut Alfred Lüthi könnte am Anfang gar ein keltischer Flurname gestanden haben. Weil man auch hier den Sinn der einstigen Terminologie im Lauf der Zeit nicht mehr verstand, sprach man im 18. Jahrhundert von der «Goldenmattgasse». Urkundlich bereits 1418 erwähnt ist die Milchgasse, ohne dass man weiss, woher sich der Name ableitet. Der westliche Teil gegen den Kirchplatz hin hiess noch weit ins 19. Jahrhundert hinein Schulgasse, weil sich hier eines der städtischen Schulhäuser befand.

Nicht in Stein gemeisselt


Strassennamen waren nicht in Stein gemeisselt. Die Bahnhofstrasse trug einst den Namen «Siechenstrasse», weil der Weg direkt zum Absonderungshaus der Aussätzigen am heutigen Kreuzplatz führte. Die Kasinostrasse hiess noch bis 1872 Antönistrasse, die Igelweid trug von 1889 bis 1920 die Bezeichnung Schmiedgasse. Und die jetzige Rathausgasse teilte sich einst im Norden in eine «Schwertgasse» (nach einem alten Gasthof) und im Süden in die Marktgasse. Ein Problem tauchte 2010 bei der Fusion von Aarau mit der Gemeinde Rohr auf: Beide verfügten über eine Römerstrasse, was natürlich aus postalischen Gründen nicht statthaft war. Also taufte man die Aarauer Römerstrasse in der Telli in Aurorastrasse um, was halbwegs Sinn macht, ist doch Aurora die römische Göttin der Morgenröte .

Besonders originell war der Grund für den Begriff «Signalstrasse» im oberen Zelgli. Die ersten Häuser an diesem Weg entstanden noch vor dem Ersten Weltkrieg um 1911/12. Sie wurden von in Aarau stationierten Eisenbahnern erbaut, «Signal» bezog sich demnach auf den beruflichen Alltag der einstigen Bewohner. Ähnliches dürfte auch für die bedeutend ältere Pelzgasse gelten, wurden hier doch an Markttagen in historischer Zeit vor allem Hüte, Schirme, Pelze und Schuhe feilgeboten. So sprach man vom nördlichen Teil einst auch von der Schuhgasse.

Weshalb heisst er Erzgrubenweg?


Machen wir noch einen Abstecher an die äusserste Stadtgrenze, zum Erzgrubenweg im Rombachtäli. Der Wegname weist auf den Abbau von Eisenerz, hin, wie er im Jura noch bis ins 19. Jahrhundert hinein mehr oder weniger intensiv betrieben wurde. Auch am Aarauer Hungerberg wurde gegraben, bekannt ist namentlich ein Meyerstollen. Die Minen, die Unmengen von Holz verschlangen und deshalb immer wieder zu Streitigkeiten Anlass gaben, verschwanden nach 1820 in rascher Folge. Noch immer einen aktuellen Bezug hat hingegen der Bircher-Benner-Weg, eine Sackgasse, die von der unteren Schanzmättelistrasse abzweigt. Er ehrt den am 22. August 1867 in Aarau geborenen und aufgewachsenen Max Bircher, der später als Arzt in Zürich wirkte und im Sinne einer Ernährungsrevolution das weltbekannte Birchermüesli entwickelte.

Wer ist für Strassennamen zuständig?


Bleibt zum Schluss noch die Frage, wer für die Benennung von Strassennamen verantwortlich ist. Gemäss Paragraf 101 im kantonalen Baugesetz obliegt dies im Aargau dem jeweiligen Gemeinderat. In Aarau liegt die verwaltungsmässige Zuständigkeit für die Strassen beim Stadtbauamt. In der Regel folgt von dort ein Vorschlag, über den der Stadtrat dann abschliessend befindet. Passiert ist dies jüngst bei der Aarenaustrasse im Neubauquartier des Scheibenschachens.
Titelbild: Eisenbahnhäuser an der Signalstrasse, Wilhelm Hergert, 1927.