Zeitreise

Wetterkapriolen gab es immer

Winterstürme wie «Burglind» oder «Friederike» im vergangenen Januar kommen zwar nicht alle Jahre in dieser Heftigkeit vor, sind aber auch keine Ausnahmen. So fegte zum Beispiel im Februar 1967 eine regelrechte Orkanserie über das Land und fällte in den Wäldern schweizweit rund 500 000 Kubikmeter Holz. 1990 tobte sich ebenfalls im Februar das Tief Vivian aus und beschädigte den Aarauer Wald. Noch in Erinnerung sein dürfte der «Lothar» am zweiten Weihnachtstag 1999, der Windspitzen von 140 Stundenkilometern brachte. Doch auch im Sommer fehlt es in der Chronik der Stadt nicht an Wetterkapriolen, die beträchtlichen Schaden verursacht haben.

Von Hermann Rauber

 

Am 17. Juli 1963 entlud sich über Aarau ein «Jahrhundert»-Gewitter mit Blitz, Hagel und sintflutartigem Regen. In den Häusern brannten Sicherungen durch, Glühbirnen wurden klirrend aus der Lampenfassung gejagt. Pro Quadratmeter fielen fast 100 Liter Wasser vom Himmel, es kam zu Überschwemmungen, etwa in der Unterführung Gais, in der zwei Autos steckenblieben und bis zum Dach in der braunen Brühe versanken. Besonders schlimm traf es das hintere Dammquartier. Der sonst harmlose Roggenhausenbach wurde zum reissenden Strom und bescherte den Bewohnerinnen und Bewohnern knietiefe Schlammmassen, die in mühsamer Arbeit noch Tage später entfernt werden mussten.

Hochwasser am 9. August 2007


Ausgerechnet am 1. August, am Bundesfeiertag des Jahres 1955, hagelte es primär im Raum der Aarauer Innenstadt nussgrosse Eiskörner. Zahlreiche Fensterscheiben, Schaufenster und Blumentöpfe lagen zersplittert auf Gassen und Strassen. Allein beim «Löwen» an der Vorderen Vorstadt zählte man 40 zerschlagene Glasscheiben. Noch in lebhafter Erinnerung dürfte der 9. August 2007 sein. Heftige Regenfälle im Mittelland liessen die Aare anschwellen. In den frühen Morgenstunden durchbrach das Hochwasser die Zurlindeninsel an der schmalsten Stelle, das Kraftwerk Rüchlig wurde von unten geflutet und musste abgestellt werden. Weite Teile des Scheibenschachens und Gebiete in der Telli wurden überschwemmt, es entstanden Sach- und Gebäudeschäden in der Höhe von 28 Millionen Franken.

Der eingefrorene Stadtbach


Doch auch die kalte Jahreszeit brachte Aarau schon manche Überraschung. 1687 beispielsweise fror der Stadtbach zu. Die durch Trommelschlag alarmierte Bevölkerung musste das Eis gemeinsam aufbrechen, um der Stadt die lebenswichtige Wasserzufuhr zu erhalten. Die eifrigen Helfer wurden übrigens anschliessend mit Wein aus dem städtischen Keller reichlich belohnt. Besonders hart war auch der Winter 1962/63, der ab Mitte November bis Ende Februar zahlreiche Frosttage bescherte. Das zog tausende an die «Seegfrörni» des Hallwilersees, in den Gärten der Stadt entstanden Eisflächen zum privaten Schlittschuhvergnügen. Eine der tiefsten Temperaturen in Aarau wurde in der Nacht des 11. Februars 1929 gemessen. Die Wetterstation vor dem Bezirksschulhaus im Zelgli zeigte minus 27 Grad an, verstärkt durch eine scharfe Bise.

Reben blühten ein zweites Mal


Und auch die drei Frosttage im April des vergangenen Jahres 2017, die die Ernteerträge in der Landwirtschaft dezimierten, waren kein singuläres Ereignis. So fiel 1372 an Pfingsten Schnee, der die Bäume zu Boden drückte. 1642 registrierte man kurz vor dem Johannistag, am 24. Juni also, Reif. Zwei Jahre später erfroren die Reben, «blühten aber zur Zeit der Chriesi-Ernte auf wundersame Weise ein zweites Mal», heisst es in der städtischen Chronik. Auch 1770 war ein «unzitig» Jahr. Anfang Mai lag noch Schnee im nahen Jura, die Kirschbäume trieben erst im Juni. Um eine mögliche Hungersnot zu vermeiden, öffnete der Rat die Kornkammern und liess zwei Drittel des vorsorglich gespeicherten Vorrats an die Bürgerschaft verkaufen. Früher sah man in solchen Naturereignissen eine Strafe Gottes für sündhaftes Verhalten, erst viel später begann die Menschheit, mögliche Ursachen in den Defiziten der globalen Klimapolitik zu suchen.
Hochwasser der Aare, Jahrgang unbekannt.