Gastkommentar

Wohnungsbau, Städtebau und Sportinfrastruktur

Mit einem Deal will der Stadtrat Wohnungsbau und eine neue Sporthalle verknüpfen. Ist das Abgeben an Private sinnvoll?

Von Stephan Müller

 

 

In der «Aargauer Zeitung» vom 1. September werden verschiedene Fragen zur neu geplanten «Argoviarena» erörtert. Zur Absicht des Stadtrats wird folgendes geschrieben: «Die Wohnutzung zur Querfinanzierung der Halle kann sich auch ausserhalb des Schachens befinden. Im Vordergrund stehen verschiedene Ortsbürger-Areale in der Aarenau (Scheibenschachen), in der östlichen Telli (bei den Schrebergärten zwischen Suhre und Staffeleggzubringer) sowie im Rohrer Hinterfeld. Denkbar ist auch, die Wohnbauten auf verschiedene Standorte zu verteilen. Sicher ist: Ohne Wohnungen gibt es keine Argoviarena – und umgekehrt. Dies wird verbindlich in den Baurechtsverträgen vereinbart.» Das heisst, der Wohnungsanbau an sich, die Orte dafür in der Stadt, die Art des Wohnungsbaus (Eigentumswohnungen), wie auch die Menge der Wohnungen sowie die Höhe der Wohnungspreise (genügende Querfinanzierung) wird alles direkt gekoppelt an den Bau einer neuen Sport- und Eventhalle im Schachen durch Private.

Eine solche Politik finde ich – ehrlich gesagt – städtebaulich absurd, und sogar eine Verhöhnung von jeglicher Art von seriöser Politik. Städtischer Wohnungsbau, gerade auch auf öffentlichem Grund (ob Einwohner- oder Ortsbürgergemeinde), hat sich in erster und einziger Linie dem Thema des sinnvollen Wohnungsbaus (und Städtebaus) zu widmen. Sollen es Genossenschaftswohnungen sein, soll es sozialer Wohnungsbau sein, hat es genügend Grünflächen dazu, welche Auswirkungen hat der Wohnungsbau auf das spezifische Quartier, die städtische Entwicklung, auf die Schüler:innenzahl? Wieviele Geschosse sind ökologisch und städtebaulich sinnvoll und verträglich an diesem oder an jenem Ort? Wo macht es Sinn, dass jetzt gebaut wird, wo allenfalls erst in ein paar Jahrzehnten?

Völlig unabhängig von diesen Wohnbaufragen gibt es sportliche Infrastrukturen wie die heutige Schachenhalle, die Erneuerungsbedarf haben, wo die Stadt herausfinden muss, wieviel sie dafür investieren will. Wenn die Halle auf öffentlichem Grund ist, wie die Schachenhalle, ist die Stadt auch dafür zuständig und soll auch dafür zuständig bleiben.

Für beide Fragen, den Wohnungsbau (insbesondere auf öffentliche Grund) wie auch die sportlichen Infrastrukturen, ist die Stadt also zuständig. Sie soll demokratisch über diese beiden Fragen unabhängig voneinander bestimmen.

Es gibt keinen einzigen sachlichen und sinnvollen Grund, diese beiden Fragen miteinander zu verknüpfen. Und es gibt keinen sachlichen Grund, dass die Stadt nicht über beide Fragen selber und unabhängig von Privaten entscheidet, zudem es um Gebiete geht, die der Einwohner- oder Ortsbürgergemeinde seit Jahrzehnten gehören.

Nun will die Stadt beide Fragen privatisieren bzw. an einen Privaten (Halter AG) in einem Deal abgeben mit dem Motto: «Ohne Wohnungen gibt es keine Argoviarena – und umgekehrt.» Eine solche Politik ist grundsätzlich falsch: Sowohl die abwegige Verknüpfung von Wohnungsbau und Sportinfrastruktur (gar an zwei verschiedenen Orten), als auch die Privatisierung an sich, wie auch die finanzielle Verknüpfung eines Sporthallenbaus an dafür extra geplante überteuerte und überrissene Wohnungspreise, damit eine Querfinanzierung überhaupt erst möglich wird. Werden nämlich in einem sozialen Wohnungsbau auf öffentlichem Grund bewusst keine überrissenen Preise verlangt (was richtig ist!), ist auch keine Querfinanzierung für irgendetwas anderes und völlig Sachfremdes mehr möglich, das überhaupt nicht mit dem Wohnungsbau zusammenhängt.

Was haben Private hier überhaupt zu suchen? Ich meine nichts. Städtische Aufgaben hat die Stadt zu meistern, was und wer denn sonst? Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker wird dazu in den «Aarauer Nachrichten» vom 8. September so zitiert: «Mit der Argoviarena könnte eine attraktive  Inoorsport- und Eventhalle realisiert werden, welche ohne einen Steuerfranken finanziert und zur ersten kantonalen Adresse wird.» Ich denke, der Stadtpräsident ist genügend Ökonom, dass er genau weiss, dass nichts gratis und kostenlos ist. Jemand bezahlt immer, und die Halter AG zahlt ja nichts, sondern will mit diesem Deal zusätzlich einen Gewinn realisieren, der nun obendrauf und zusätzlich noch von jemandem bezahlt werden muss. Also wer zahlt die ganzen Kosten dafür? Diese sind einfach wie im Märchenland verschwunden und niemand muss dafür zahlen und alle profitieren nur? Eine glückliche wundersame Geldvermehrung nach Zauberhand ähnlich den Scharlatanen, die behaupten, sie können in einem chemischen Verfahren aus einer Tausendernote mehrere machen, worauf immer wieder ehrbare Leute hineinfallen und all ihr Geld dabei verlieren?

Die Verlierer bzw. die, welche diesen Deal teuer bezahlen werden, sind: All die Menschen, die in Aarau wohnen möchten, und bezahlbare Mietwohnungen der öffentlichen Hand suchen, die nach Kostenmiete verrechnet werden und auf welchen nicht unberechtigte übermässige Gewinne abgeschöpft werden, die sie gar nicht zahlen können. All die Menschen, die Erweiterungen ihrer Quartiere möchten, die ökologisch, verhältnismässig und städtebaulich sinnvoll sind und nicht hauptsächlich getrieben von einer Ausnützung, die ausschliesslich einen maximalen Gewinn für Sachfremdes abwerfen soll.

Die Stadt braucht sozialen, nicht gewinnorientierten Wohnungsbau für die Menschen. Die Stadt braucht eine sportliche Infrastruktur, die sie sich als reiche Stadt auch leisten kann und welche dann auch in der Hand der Stadt bleibt. Falls das städtische Geld nicht reichte (was nicht der Fall ist, da die Stadt auf einem riesigen Vermögen sitzt!), kann man dafür notfalls auch die Steuern erhöhen. Aarau hat mit Buchs eine gemeinsam bezahlte Kreisschule, wobei im nächsten Jahr die Stadt Aarau einen Steuerfuss von 96% vorsieht (also unter 100%!), die Gemeinde Buchs einen Steuerfuss von 118%, also 22% höher. Die arme Stadt kann sich also eine neue Sporthalle nicht leisten und muss dafür «Deals» mit privaten Gewinnmaximiern abschliessen, welche dadurch neu den Aarauer Städtebau unter ihrem rein finanziellen Interesse prägen und bestimmen werden? Absurd. Ein Deal, welche die ganze Stadt und je nachdem verschiedene Quartiere radikal in Mitleidenschaft zieht, insbesondere aber den Menschen, welche bezahlbare Wohnungen in Aarau suchen, ein Wohnen in der Stadt verunmöglicht? Dafür wird die Stadt, wenn es am Maienzug regnet, das Bankett für teures Geld in der dann privatisierten neuen Schachenhalle planen dürfen, die Privaten werden einen guten, satten Preis dafür berechnen. Dies auch für alle sonstigen Nutzungen der Halle (wie die Aarauer Schulen). Warum sollten sie nicht?

Jede:r Student:in in Städtebau würde bei einem solchen Vorgehen, wie die Stadt es vorsieht, im ersten Semster grandios scheitern und vom Studium verwiesen: Man errechnet einen Gewinn, der aus 22`000 Quadratmeter Geschossfläche reiner Eigentumswohnungen kommen soll, und schaut dann, wo das in der Stadt irgendwo auf Gemeindeland platziert werden könnte. Spricht salopp von einem 39m oder gar 51m hohen Wohnblock im Schachen als Möglichkeit, obwohl der Schachen erst kürzlich nach vorgenommener vertiefter Abklärung vom Planungsverband Aarau Regio mit guten Gründen als Nicht-Hochhausregion bestimmt wurde. Die eigenen städtebaulichen Abklärungen also kurzerhand dafür über Bord werfen? Ist das seriöse Städteplanung? Falls das nicht gehe, möchte man die Blöcke irgendwo anders in der Stadt hinstellen, wichtig ist einzig, dass daraus ein massiver Gewinn erziehlt wird, um die Querfinanzierung einer eigentlich städtischen Aufgabe wie die Sportinfrastrukturerneuerung zu erreichen. Hübsch steht in der AZ: «Das Ausloten der städtebaulich verträglichen Höhenentwicklung werde Gegenstand eines qualitätssichernden Verfahrens (Studienauftrag mit mehreren Teams) sein». Jedes seriöse Büro müsste einen solchen Auftrag ablehnen, der von einer Gewinnmaximierung als Ziel des Städtebaus (irgendwo) ausgeht, und nicht vom spezifischen Ort und den Wünschen der Menschen für diesen spezifischen Ort. Unter falschen – nicht städtebaulich  gedachten – Prämissen planen zu müssen, kann in der Konsequenz auch keine städtebaulich sinnvolle, richtige Lösung ergeben. «Ein qualitätssicherndes Verfahren» dafür vorsehen zu wollen, ist so verbrämt wie ein Feigenblatt.

Gut dauert der Planungsprozess wohl noch eine ganze Weile. Es ist zu hoffen, dass bei nächsten städtischen Wahlen ein neuer Stadtrat gewählt wird, der Städtebau unter städtebaulichen Überlegungen angeht und für die (auch ärmeren) Menschen sinnvolle und günstige Wohnungen baut. Und ein Stadtrat gewählt wird, welcher den Mut hat, als überaus reiche Stadt die eigene Sportinfrastruktur unter eigener Leitung sinnvoll zu erneuern.