Gastkommentar

24 Stunden Neuchâtel

Ein Besuch in Aaraus Partnerstadt.

Von Lydia Klotz und Eleonora Sartori

 

«Achtung, da chond en Bus!» – rufe ich Lydia zu. Wir befinden uns mitten in der Neuenburger Altstadt, schlendern durch die Gassen und betrachten die Schaufenster. Irgendwie unerwartet, in der autofreien Zone vor einem Bus ausweichen zu müssen. Und doch fühlen wir uns wie zu Hause. Wer kennt es nicht? Du spazierst durch Aarau, vertieft in ein Gespräch, und plötzlich musst du schnell zur Seite weichen, weil ein Bus naht.
Wir mussten schmunzeln und erinnerten uns zurück an die unzähligen Male, an denen man sich gegenseitig am Arm packte, um einander vom Bus zu «retten». Genau bei diesem Ausweichmanöver stolperten wir fast in den Bach hinein. Wir sprechen von Neuchâtel. Wir könnten aber ebenso von Aarau sprechen. Auch durch Neuenburg fliesst ein Bach die Altstadtstrassen entlang. Ob sie auch ein Stadtlied haben, in welchem «de Bach brönnt» gesungen wird?

Nach diesem «Fast-Zwischenfall» fielen uns immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen Aarau und Neuenburg auf, und genau in diesem Moment kam uns auch die Idee, den nächsten Gastkommentar über die Parallelen zwischen den Partnerstädten festzuhalten. Gerne nehmen wir dich, liebe lesende Person, wieder einmal auf eine Reise mit uns mit. Dieses Mal nicht nach Berlin, sondern nach Neuenburg und Yverdon-Les-Bains.

In Aarau eingestiegen sind wir mit dem Zug bereits nach etwas mehr als einer Stunde angelangt. Eine szenische Zugfahrt mit wunderbarer Aussicht auf den Bielersee und den Neuenburger See. Quasi eine Zwei-Seen-Zugfahrt.
Als erstes haben wir uns einen Stadtplan geschnappt, denn dies ist für uns als «Stadtplanmacherinnen» immer besonders spannend. Wie ist er designt? Welche Informationen finden sich darauf? Ist Werbung platziert?
Bevor wir mehr von unseren Erlebnissen berichten, möchten wir euch mit ein paar Fakten versorgen und über die Städtepartnerschaft zwischen Aarau und Neuenburg sprechen.

«Le jumelage entre Aarau et Neuchâtel»


«Die Stadt Aarau pflegt einen freundlichen Kontakt mit ihren beiden Partnerstädten», heisst es auf der Stadt Aarau-Website. Delft (NL) war einmal Partnerstadt, heute sind es noch Reutlingen (D) und Neuenburg (CH). Die Städtepartnerschaft oder auch französisch «Jumelage entre villes» wurde 1997 geschlossen, um nebst einer Freundschaft auch den «Austausch zwischen den Sprachregionen zu fördern».

Wir durften uns mit Frau Cavegn Leitner austauschen. Sie ist eine der sieben Aarauer Stadträtinnen und Stadträte und für das Ressorts Soziales, Gesundheit und Alter zuständig. Sie präsidiert zudem die fünf-köpfige Kommission der Stadt Aarau für die Pflege der Städtefreundschaft mit Neuchâtel.
Worum geht es bei einer Städtepartnerschaft überhaupt? Darauf hat uns Frau Cavegn unter anderem geantwortet: «Primär geht es um den sprachlichen, kulturellen und touristischen Austausch. Die Stadt Neuchâtel hat sich bereits mehrere Male im Rahmen von Standaktionen in Aarau präsentiert. Im Gegenzug war Aarau in Neuchâtel präsent.»
Uns nahm besonders wunder, wie der Kontakt zwischen Aarau und Neuenburg genau gepflegt wird. Darauf hat Frau Cavegn Leitner geantwortet, dass der Kontakt über die beiden Stadtkanzleien gepflegt wird. Zudem hat Aarau eine Kommission, in der die beiden Kantonsschulen vertreten sind und die den Austausch mit Gymnasien und Schulen in Neuenburg ermöglicht.

Um mehr über die Möglichkeiten der Partnerschaft, insbesondere auch zwischen den von Frau Cavegn angesprochenen Schulen, zu erfahren, haben wir uns mit Frau Claudia Fabel ausgetauscht. Sie ist ehemalige Französisch- und Italienischlehrerin der Neuen Kantonsschule Aarau (NKSA). Sie hat in der Vergangenheit den Schülerinnen- und Schüleraustausch zwischen Aarau und Neuenburg mitorganisiert und gefördert.
Frau Fabel hat uns erklärt, dass einer ihrer ehemaligen Kollegen an der NKSA Mitglied in der Kommission zur Zusammenarbeit der beiden Städte war und die Schule dank der Partnerschaft einen Kontakt mit dem Lycée Denis de Rougemont aufbauen konnte. Durch alternierende Besuche in den Gymnasiums-Heimstädten sind im Austausch miteinander Tandems entstanden: Je eine Deutschlehrerin oder ein Deutschlehrer aus Neuenburg und ein Französischlehrer oder eine Französischlehrerin aus Aarau.
«Ich habe meinen Tandempartner regelmässig getroffen (oft in Solothurn, auf halbem Weg), wir haben uns überlegt, welche seiner Klassen zu welcher meiner Klassen passen könnte (Anzahl Schüler:innen, Geschlechterverteilung, Sprachniveau, Interessen, …). Wir haben gemeinsame Projekte angerissen, immer mit der Idee, dass die Romand:es die Schüler:innen der NKSA in Französisch coachen, unsere Schüler:innen die Romand:es in Deutsch», meint Frau Claudia Fabel und schwärmt, dass es ein persönlicher Vorteil für sie war, Neuenburg gut kennen und lieben gelernt zu haben. Schulisch zudem interessant sei es für sie gewesen, einen Einblick in das Westschweizer Schulsystem zu erhalten.

Auf die Frage, wie Schülerinnen und Schüler von der Partnerschaft profitieren könnten, hat sie uns erzählt, dass sie ihr Französisch vertiefen konnten, Freundschaften geschlossen haben und Unterschiede wie Ähnlichkeiten in der Schule aber auch Kultur erlebt werden konnten. Von ihren Schülerinnen und Schülern habe sie mehrheitlich positives Feedback erhalten – so wurde der Austausch teilweise als «Highlight» aufgezählt.
Leider haben wir erfahren, dass der Kontakt zwischen den Gymnasien ziemlich eingeschlafen sei – mangels Kapazitäten. Wir sind zuversichtlich und hoffen, dass in Zukunft weitere Schülerinnen und Schüler dieses «Highlight» wieder erleben werden und der Kontakt wieder aufleben kann. «Ja, das wäre sehr erstrebenswert», ist Frau Claudia Fabels Reaktion auf unsere Frage, ob sie sich mehr Kontakt mit anderen Städten und/oder Sprachregionen wünschen würde. «Für die Francophonie denke ich auch an Biel, auch oder gerade wegen der Zweisprachigkeit […]» – passend zu unserer Inside-Aarau-Reise ergänzt sie den Stadt-Vorschlag «Yverdon-Les-Bains» als potentiellen Kontakt. Besonders am Herzen liegt ihr, einen Austausch mit dem Tessin zu realisieren, so beispielsweise mit Lugano. Proaktiv hat Frau Claudia Fabel versucht, Kontakt mit der italienisch-sprachigen Stadt aufzunehmen. Sie betont jedoch, dass eine vorher eingegangene Städtepartnerschaft mehr Aussichten auf Erfolg eines nachhaltigen Kontakts bieten würde. Spannend, diesen Städtepartnerschafts-Vorschlag zu bekommen. Aktiv haben wir selbst wenig bis nichts mit Aaraus Städtepartnerschaften zu tun gehabt. Nun, da wir mehr darüber erfahren durften, schätzen wir Möglichkeiten, welche mit einer Partnerschaft entstehen können, sehen aber auch die Hürden.
Nun aber back to Neuchâtel.

Vergleich mit Aarau


Wir haben es oben schon etwas angedeutet, in Neuenburg hat uns so Einiges an unsere Kantonshauptstadt erinnert. Das ist schon ein Stichwort, denn auch Neuenburg ist die Kantonshauptstadt des gleichnamigen Kantons. Wie in Aarau ist die Altstadt autofrei, wird aber regelmässig von Bussen frequentiert. Durch die Gassen zieht sich wie in Aarau ein kleiner Graben mit Wasser, in Neuenburg ist der schön begrünt. Die Altstadt ist durch viele bunte Häuschen gekennzeichnet, das Stadtbild ist jedoch von einem gewissen ockerfarbenen Ton geprägt. Auch bemalte Giebel sucht man hier eher vergebens. Hat man den Aufstieg zum Schloss geschafft, hat man eine tolle Sicht über die Stadt, die umliegenden Gemeinden und die Alpen. Dies erinnert uns etwas an den Aarauer Alpenzeiger, allerdings – und das müssen wir etwas traurig feststellen – hat Aarau keinen See so schön an die Stadt angrenzend wie Neuenburg an den Neuenburger See. Das südliche Rivierafeeling, in Neuenburg gibt es kleine Holzbuden, die als Bars und Kioske dienen (must-see!) und bunte Kissen, um direkt am Wasser zu sitzen, kommt in Aarau nicht ganz so schnell auf, auch wenn die Aare ihr Bestes gibt. Vom Schloss zurückgekehrt treffen wir auf einen Chocolatier namens «Suchard». Sofort müssen wir «Brändli» in der Aarauer Bahnhofsstrasse denken, ein perfekter Ort für eine Zeitreise und zum Erwerb von Mitbringseln. Insgesamt stellen wir fest, dass Neuenburg grössere «Piazza-mässige» Plätze hat, was Geselligkeit zulässt und die Stadt lebendig macht. Aarau hat zwar den Kirchplatz, ist aber ansonsten eher mager ausgestattet mit solchen «Piazzen». Filialen von grossen Mode-Ketten sucht man in der Aarauer Altstadt (zum Glück) vergebens, in Neuenburg trifft man davon doch einige an. Besonders aufgefallen ist uns die Rue des Chavannes, eine bunt bemalte Gasse in Neuenburg (mit dem einzigartig Buchladen “Le Cabinet d’Amateur”), und wir mussten schmunzeln, als wir nach unserer Rückkehr nach Aarau sahen, wie dort bei der Markthalle der Boden ebenfalls bunt mit geometrischen Figuren bemalt wurde. Das scheint gerade trendy zu sein.


Neuenburg ist ziemlich steil und verfügt über einige Funiculaires, auch hier wurden wir an Aarau erinnert; an die kleine Bahn beim Alpenzeiger (diese ist aber leider privat und erleichtert den Aufstieg nicht). In Neuenburg empfehlen wir eine Fahrt auf den Chaumont. Dort angekommen, lohnt sich ein Besuch auf dem Panorama-Aussichtsturm. Aber Achtung: für den Eintritt braucht man einen Franken (in bar!). Das war für uns eine grosse Hürde, hatten wir doch nur Geldkarten und ein paar cents dabei. Zum Glück konnten uns indische Touristinnen retten und wir die Aussicht auf mehrere Seen und die Alpen doch noch geniessen.

Als Abschluss unseres Ausfluges fuhren wir noch ins 20 Minuten entfernte Yverdon-les-Bains. Dort wollten wir seit Kantonsschulzeiten das Modemuseum besuchen. Ein Museum im Schloss, kommt uns irgendwie bekannt vor….(@stadtmuseum Aarau). Etwas enttäuscht über die eher kleine Ausstellung, gönnten wir uns einen Crêpe und dachten sofort an die Aarauer Crêperie. Auch die bunten Häuschen erinnerten uns an unsere Altstadt. Was gibt es wohl bei «az Mode»? Wir sahen einen liebevollen Laden «Songes – Magasin déco», welcher uns an «einzigart» erinnerte, und wir kauften unseren Mamis jeweils eine kleine Vase als Mitbringsel. Und dann war unser kleiner Retreat in der Romandie leider auch schon vorbei.

Wir können, wie Frau Cavegn, festhalten, dass sich ein Besuch in Neuenburg lohnt. In den Worten der Stadträtin: «Da die beiden Städte lediglich eine Zugstunde auseinanderliegen, bieten sich Kurzreisen von und nach Neuchâtel an. Wir weisen immer wieder auf Anlässe in Aarau hin, sei dies der Maienzug, Bachfischet, Rüeblimärt, AMA, MAG usw. Mit Erfolg: Immer öfter begegnet man französisch sprechenden Personen in Aarau und die Aarauerinnen und Aarauer entdecken ihrerseits Neuchâtel.»