Zeitreise

Der Buchenhof

Die kürzlich renovierte Villa in der weiten Kurve der Entfelderstrasse hat eine 200-jährige Geschichte. Wer weiss heute noch, welche zum Teil sehr prominenten Bewohner dieses markante Gebäude hatte? Dieser Artikel liefert ein paar Anhaltspunkte zur Bau- und Besitzergeschichte.

Von Raoul Richner

 

 

Wer um 1800 aus Aarau nach Entfelden wanderte, der kam nach dem Verlassen der Oberen Vorstadt aufs freie Feld. Der Weg führte durch die Hohlgasse dem Distelberg zu, wo man bloss an zwei Bauernhöfe vorbeikam: linkerhand am Goldernhof und weiter oben auf der rechten Seite am Binzenhof.

Diese beschauliche Situation begann sich ab 1818 zu verändern. Damals wurde die heutige Entfelderstrasse fertiggestellt, die sogleich die Hohlgasse als Hauptverbindungsstrasse zwischen Aarau und Unterentfelden ablöste. Die neue Landstrasse trennte manche Parzellen in zwei Hälften, so dass sich die Eigentümer neu arrangieren mussten. Das Land, auf dem der heutige Buchenhof steht, kam damals in den Besitz des Fricktaler Fuhrhalters Moritz Herzog. Er liess dort ein zweistöckiges Haus errichten, das 1818 bezugsbereit war. Es handelt sich dabei um ein klassizistisches Wohnhaus, das als Kernbau der Villa Buchenhof bis heute erhalten geblieben ist. Fortan markierte dieses allein auf weiter Flur stehende Gebäude den südlichen Eingang ins städtische Siedlungsgebiet, wie sich noch auf der um 1840 entstandenen Michaelis-Karte ablesen lässt.



Nach zehn Jahren, im Oktober 1828, verkaufte Herzog das Gebäude an seinen Landsmann, den Arzt Sebastian Fahrländer (1768-1841). Fahrländer ist eine schillernde Figur der Aargauer Geschichte. Der gebürtige Breisgauer studierte Medizin und liess sich dann im Fricktal nieder. Zusammen mit seinem Bruder konnte er bei den französischen Machthabern die Schaffung eines Kantons Fricktal durchsetzen, dessen Statthalter er wurde. Nachdem der neue Kanton nach nur einem Jahr 1803 mit den helvetischen Kantonen Baden und Aargau zum heutigen Kanton fusioniert wurde, verliess Fahrländer das Fricktal und siedelte nach Aarau über. Hier betätigte er sich als Arzt. Das Politisieren konnte er aber nicht lassen: Er wurde Grossrat und nahm in dieser Funktion Einfluss auf das aargauische Bildungswesen. Fahrländer vergrösserte seinen neuen Wohnsitz, indem er unter anderem einen zweiten Keller ausheben und eine Laube anbauen liess.

Die Liegenschaft blieb nach Fahrländers Tod zunächst in Familienbesitz, indem es seinem Sohn, dem Fürsprecher Karl Emanuel (1803-1857) zufiel. Der Apfel war nicht weit vom Stamm gefallen: Fahrländer junior politisierte nicht nur auf Kantons-, sondern als Nationalrat auch auf Bundesebene. Noch kurz vor seinem Tod hatte Fahrländer das Gut 1857 an einen gewissen Georg Troller (1816-1869) verkauft, der einer Müllerdynastie entstammte und sich als Landwirt betätigte. Trollers Witwe verkaufte die damals als «Fahrländergütchen» bezeichnete Liegenschaft 1873 ihrerseits an Conradin Zschokke.

Unter der Regie von Bauingenieur Zschokke (1842-1919) erhielt das Gebäude sein heutiges Aussehen: Er liess 1883 den südlichen Anbau des Hauses niederreissen und durch die grosszügige Sichtbackstein-Villa ersetzen. Der mit bunten Ziegeln bedeckte Baukörper überragt die älteren Teile bis heute. Weiter veranlasste Zschokke die Anlage eines englischen Gartens und die Aufschüttung eines Hügels, auf dem ein Gartenpavillon thronte. Diese Erhebung wurde «Chimborazo» genannt – in Anspielung auf den inaktiven Vulkan in den ecuadorianischen Anden. Dieser Name war nicht das einzige Exotische im Park; der damaligen Mode entsprechend pflanze man gerne dekorative Ziergehölze aus Übersee an wie zum Beispiel einen nordamerikanischen Trompetenbaum. Es war aber eine einheimische Rotbuche, die dem Ensemble den erst damals auftauchenden Namen «Buchenhof» gab. Der Begriff «Fahrländergut» ging in der Folge vergessen.

Conradin Zschokke hatte drei Arbeitsgebiete: Er war als Bauunternehmer, als Hochschullehrer und als Milizpolitiker tätig. Die von ihm gegründete Firma trug seinen Namen bis in 21. Jahrhundert. An der ETH wurde er Professor für Wasserbau; er gilt als Pionier im Bau von Wasserkraftwerken. Auf eidgenössischer Ebene mischte er als langjähriger Nationalrat (1899-1917) mit – 1902 wurde er als dessen Präsident, so dass der Buchenhof den «höchsten Schweizer» beherbergte.

Unmittelbar an den Buchenhof stadteinwärts anschliessend errichtete der Aarauer Bierbrauer Siebenmann 1897 ein Chalet, in welchem er ein Restaurant eröffnete. Im Volksmund wurde das Gebäude aufgrund der reichen Holzornamente als «Laubsägelihaus» bezeichnet. Die Suhrentalbahn richtete vor dem Gasthaus eine Haltestellte ein, was dem Buchenhof eine prima Verkehrsanbindung einbrachte.

Nach Zschokkes Tod konnte der Kanton das Buchenhof-Areal 1919/20 in zwei Etappen von dessen Witwe erwerben. Seither nutzt das kantonale Baudepartement die Villa und die Nebengebäude.

In seinem Neujahrsblätter-Artikel über den Buchenhof träumte Georges Gloor noch 1958 davon, dass der wunderbare, von Zschokke angelegte Park dereinst als öffentlicher «Fahrländergarten» zugänglich werden sollte. Daraus wurde aber nichts. Die kantonale Baudirektion wuchs schon bald über die Villa hinaus und musste in der Stadt weitere Büroräumlichkeiten mieten. In den späten 1980er Jahren reifte die Idee, das ganze Departement auf dem Buchenhof-Areal in einem grosszügigen Neubau zu konzentrieren. Aus dem Wettbewerb gingen die Badener Architekten Burkard + Meyer + Steiger als Sieger hervor. Die von ihnen entworfene, 1998 bezogene Anlage besteht aus sechs Türmen, deren Fassade die Sichtbackstein-Gestaltung der Villa wiederaufnimmt.
Nachdem die Baudirektoren während über siebzig Jahren in der repräsentativen Villa residiert hatten, zog der Departementsvorsteher nun in den Neubau um.

Auch wenn das Buchenhof-Gelände noch immer von vielen Bäumen (auch von Buchen!) beschattet wird, so ist doch der grösste Teil des Parks durch die Überbauung verloren gegangen. Es wäre für Georges Gloor vielleicht ein Trost zu wissen, dass sich sein Traum eines öffentlichen Parks doch erfüllt hat – allerdings einige Schritte weiter südlich, in den Gönhardgütern.