Der Zufall will es, dass ich an der Reihe bin, die letzte Kolumne vor der Gastkolumnensommerpause auf We Love Aarau zu schreiben. Sie erscheint am Sonntag, zwei Tage nach dem Maienzug, ich schreibe diese Kolumne in der Nacht auf Samstag, am Maienzugabend. Das Fest ist noch im Gange, doch in ein paar Stunden wird es vorbei sein, und die Sommerferien werden für viele begonnen haben, insbesondere für die Schüler:innen.
Ich bin erstaunt, wieviel Gift und Galle im Vorfeld des Festes gestreut wurden. Jegliche Neuerungen, die für das Fest versuchsweise dieses Jahr vorgeschlagen wurden, kommentierten viele im Vorfeld schon als negativ, bevor man diese überhaupt ausprobieren konnte, bevor man diese nun ausprobiert hat. Woher kommt diese Wut her, dieses Gegenteil von Gelassenheit? Feiern ist doch Fröhlichkeit, Ungebundenheit, etwas Gerade-sein-Lassen, etwas Ausnahmezustand vom Alltag. Oder geht es um etwas Anderes?
Eigentlich ist der Maienzug ja das Jugendfest, wie es früher, vor hundert Jahren, auch genannt wurde (siehe Beitrag: Aus aktuellem Anlass: Der Maienzug). Der Schulschluss wird gefeiert, einige beenden an diesem Tag ihre Schulen für immer. Fröhlichkeit herrscht. Sind die Erwachsenen ein Vorbild für diese Jugend, die in das Leben nach der Schule oder auch einfach in die Ferien verabschiedet wird, wenn man sieht, wie sie sich dieses Jahr um Details der Feier schon im Vorfeld erbittert gestritten und gekniffen haben?
Ist das der Geist von Aarau? Vergleichen wir: Die Menschen in Baden sprechen ja gerne von ihrem «Badener Geist», der gerade auch in den jeweiligen Stadtfesten, in den «Badenfahrten», zum Ausdruck käme. Zehn Tage lang wird alle zehn Jahre bei den «Badenfahrten» gefeiert, eine ganze kreative Stadt wird für diese Zeit jeweils in die vorhandene Stadt hineingebaut. In monate-, ja jahrelangen Vorbereitungen werden überraschende, neue Ideen für das Fest entwickelt, alle machen mit. Jede Badenfahrt will unvergleichlich zu all den anderen, früheren Badenfahrten sein, jedoch immer den gleichen, freien «Badener Geist» versprühen, auf den Baden so stolz ist.
Was ist nun der Geist von Aarau? Vergleichbar mit dem «Badener Geist»? Ich wünschte es mir! Doch hört man die erbitterten Diskussionen um den Maienzug dieses Jahr, aber auch die jeweiligen Diskussionen schon in den Vorjahren betreffend des Maienzugvorabends, zweifelt man daran. Irgendetwas Engstirniges, Giftiges, «Unfestliches» und «Unfröhliches» scheint den Geist von Aarau momentan zu trüben, so scheint mir das jedenfalls. Oder täusche ich mich? Ich erinnere mich, dass mir schon vor 40 Jahren, als ich in Aarau zur Schule ging, gesagt wurde: Baden hat heisse Quellen und Bäder, das prägt den Geist von Baden. Und Aarau hat das Militär, einen Waffenplatz und eine Rekrutenschule, das prägt den Geist von Aarau.
Ich dachte damals, das sei ein Klischee, dieser harte Vergleich kann doch so nicht stimmen. Aarau war doch in der Vergangenheit auch ein Revoluzzernest, dort fand eine Revolution statt und eine neue Republik wurde ausgerufen! Reste dieses Geistes müssten doch in den Gassen dieser Stadt noch vorhanden und tief im Wesen der Stadt verankert sein! Ich versuchte mich im Finden dieses Geistes, strengte mich zuweilen an, diesen Geist selber auch zu verkörpern.
Und ja, als Jolanda Urech 2013 als erste Frau und als erste Linke Stadtpräsidentin von Aarau wurde, dachte ich, das ist ein Beweis für die Offenheit und den alt-neuen anderen Geist von Aarau.
Jetzt kommt es mir vor, höre ich die Diskussionen um den Maienzug, aber auch die Diskussionen um die zivile Nutzung des Kasernenareals, dass Aarau nichts Neues verkörpern will, das geistig ausstrahlen könnte. Eine Schuldenbremse, viel ungenütztes Geld in der Kasse und allenfalls epische Steuerfussdiskussionen scheinen momentan in der Hauptsache den Geist von Aarau zu prägen. Dazu passen die diesjährigen giftigen Diskussionen um den Maienzug eigentlich bestens. Aber ich erinnere mich auch daran, dass im Jahr 1998 zum 200-Jahr-Jubiläum von Aarau als Republikshauptstadt das Fest «Aargrandissimo» stattfand, mit Konzerten auf Flossen auf der Aare, mit vielen Beizen auf extra gebauten Holzplateaus am Aareufer. Das war eine auch architektonisch wunderbare, spannende, interessante, überraschende Sache. Das offizielle Aarau sprach jedoch noch monatelange nur und fast ausschliesslich vom Defizit des Festes, von den Kosten, die hauptsächlich auf das üble Regenwetter an diesem Fest zurückzuführen waren.
Nach diesen Gedanken mache ich nochmals eine Runde zu den Festorten in Aarau. Nach Mitternacht also nochmals zu den Chrutwäje-Konzerten bei der Pferderennbahn: Gut. Doch die Atmosphäre auf der richtigen Chrutwäje, der Wiese im Schachen, wo früher die Konzerte stattfanden, als ich in der Mittelschule war, die war schon unvergleichlich romantischer. Auf dem Rückweg dann beim Zelt und am Maienzugplatz vorbei, ich genoss die Stimmung, es waren immer noch viele Leute dort. Plötzlich begann es leicht zu donnern, zu blitzen und zu regnen. Das reinigende Gewitter nach dem Jugendfest, dem Maienzug, war es jedoch nicht.
Ich wünsche auf jeden Fall allen nach den verdienten Ferien eine schöne Badenfahrt im August! Davor, am 21. Juli, gibts im Brügglifeld noch das Challengue-League Fussballspiel Aarau-Baden, für die, die denken, dass man den Vergleich der Städte nicht im Geist oder im Festen, sondern eher im Fussball suchen sollte.
Ich bin erstaunt, wieviel Gift und Galle im Vorfeld des Festes gestreut wurden. Jegliche Neuerungen, die für das Fest versuchsweise dieses Jahr vorgeschlagen wurden, kommentierten viele im Vorfeld schon als negativ, bevor man diese überhaupt ausprobieren konnte, bevor man diese nun ausprobiert hat. Woher kommt diese Wut her, dieses Gegenteil von Gelassenheit? Feiern ist doch Fröhlichkeit, Ungebundenheit, etwas Gerade-sein-Lassen, etwas Ausnahmezustand vom Alltag. Oder geht es um etwas Anderes?
Eigentlich ist der Maienzug ja das Jugendfest, wie es früher, vor hundert Jahren, auch genannt wurde (siehe Beitrag: Aus aktuellem Anlass: Der Maienzug). Der Schulschluss wird gefeiert, einige beenden an diesem Tag ihre Schulen für immer. Fröhlichkeit herrscht. Sind die Erwachsenen ein Vorbild für diese Jugend, die in das Leben nach der Schule oder auch einfach in die Ferien verabschiedet wird, wenn man sieht, wie sie sich dieses Jahr um Details der Feier schon im Vorfeld erbittert gestritten und gekniffen haben?
Ist das der Geist von Aarau? Vergleichen wir: Die Menschen in Baden sprechen ja gerne von ihrem «Badener Geist», der gerade auch in den jeweiligen Stadtfesten, in den «Badenfahrten», zum Ausdruck käme. Zehn Tage lang wird alle zehn Jahre bei den «Badenfahrten» gefeiert, eine ganze kreative Stadt wird für diese Zeit jeweils in die vorhandene Stadt hineingebaut. In monate-, ja jahrelangen Vorbereitungen werden überraschende, neue Ideen für das Fest entwickelt, alle machen mit. Jede Badenfahrt will unvergleichlich zu all den anderen, früheren Badenfahrten sein, jedoch immer den gleichen, freien «Badener Geist» versprühen, auf den Baden so stolz ist.
Was ist nun der Geist von Aarau? Vergleichbar mit dem «Badener Geist»? Ich wünschte es mir! Doch hört man die erbitterten Diskussionen um den Maienzug dieses Jahr, aber auch die jeweiligen Diskussionen schon in den Vorjahren betreffend des Maienzugvorabends, zweifelt man daran. Irgendetwas Engstirniges, Giftiges, «Unfestliches» und «Unfröhliches» scheint den Geist von Aarau momentan zu trüben, so scheint mir das jedenfalls. Oder täusche ich mich? Ich erinnere mich, dass mir schon vor 40 Jahren, als ich in Aarau zur Schule ging, gesagt wurde: Baden hat heisse Quellen und Bäder, das prägt den Geist von Baden. Und Aarau hat das Militär, einen Waffenplatz und eine Rekrutenschule, das prägt den Geist von Aarau.
Ich dachte damals, das sei ein Klischee, dieser harte Vergleich kann doch so nicht stimmen. Aarau war doch in der Vergangenheit auch ein Revoluzzernest, dort fand eine Revolution statt und eine neue Republik wurde ausgerufen! Reste dieses Geistes müssten doch in den Gassen dieser Stadt noch vorhanden und tief im Wesen der Stadt verankert sein! Ich versuchte mich im Finden dieses Geistes, strengte mich zuweilen an, diesen Geist selber auch zu verkörpern.
Und ja, als Jolanda Urech 2013 als erste Frau und als erste Linke Stadtpräsidentin von Aarau wurde, dachte ich, das ist ein Beweis für die Offenheit und den alt-neuen anderen Geist von Aarau.
Jetzt kommt es mir vor, höre ich die Diskussionen um den Maienzug, aber auch die Diskussionen um die zivile Nutzung des Kasernenareals, dass Aarau nichts Neues verkörpern will, das geistig ausstrahlen könnte. Eine Schuldenbremse, viel ungenütztes Geld in der Kasse und allenfalls epische Steuerfussdiskussionen scheinen momentan in der Hauptsache den Geist von Aarau zu prägen. Dazu passen die diesjährigen giftigen Diskussionen um den Maienzug eigentlich bestens. Aber ich erinnere mich auch daran, dass im Jahr 1998 zum 200-Jahr-Jubiläum von Aarau als Republikshauptstadt das Fest «Aargrandissimo» stattfand, mit Konzerten auf Flossen auf der Aare, mit vielen Beizen auf extra gebauten Holzplateaus am Aareufer. Das war eine auch architektonisch wunderbare, spannende, interessante, überraschende Sache. Das offizielle Aarau sprach jedoch noch monatelange nur und fast ausschliesslich vom Defizit des Festes, von den Kosten, die hauptsächlich auf das üble Regenwetter an diesem Fest zurückzuführen waren.
Nach diesen Gedanken mache ich nochmals eine Runde zu den Festorten in Aarau. Nach Mitternacht also nochmals zu den Chrutwäje-Konzerten bei der Pferderennbahn: Gut. Doch die Atmosphäre auf der richtigen Chrutwäje, der Wiese im Schachen, wo früher die Konzerte stattfanden, als ich in der Mittelschule war, die war schon unvergleichlich romantischer. Auf dem Rückweg dann beim Zelt und am Maienzugplatz vorbei, ich genoss die Stimmung, es waren immer noch viele Leute dort. Plötzlich begann es leicht zu donnern, zu blitzen und zu regnen. Das reinigende Gewitter nach dem Jugendfest, dem Maienzug, war es jedoch nicht.
Ich wünsche auf jeden Fall allen nach den verdienten Ferien eine schöne Badenfahrt im August! Davor, am 21. Juli, gibts im Brügglifeld noch das Challengue-League Fussballspiel Aarau-Baden, für die, die denken, dass man den Vergleich der Städte nicht im Geist oder im Festen, sondern eher im Fussball suchen sollte.
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Ausgewählte Aarauerinnen und Aarauer schreiben in der Rubrik «Gastkommentar» über ihre Sicht auf die Dinge und die Stadt.
Stephan Müller ist Szenograf und ehemaliger Einwohnerrat, sonst Stadtspaziergänger und Inserateakquisiteur für ein linkes Wochenblatt.
Bild: Thomas Widmer