Gastkommentar

Märchenstadt Aarau

Eine sagenhafte Reise durch die Stadt.

Von Lydia Klotz und Eleonora Sartori

 

Letztes Jahr schrieben wir einen Gastkommentar über Harry Potter in Aarau. Nun würden wir gerne dort anknüpfen und nach weiterer Magie in unserer Stadt suchen. Noch ist es morgens oft nebelig und märchenhaft… Sehnen wir uns in dieser weltpolitisch tragischen und düsteren Zeit nicht alle nach Märchen mit happy ends? Wir nehmen euch mit auf märchenhafte Begegnungen in Aarau, berichten euch von alten Sagen aus dem Kanton und suchen, was es hier sonst noch so mit Märchen-Bezug gibt (inkl. Ausflugstipp).

Frau Holle und Dornröschen in Aarau


Es war einmal in Aarau ein frühlingshafter Tag Anfang April. Frau Holle öffnete gerade ihre Balkontüre und trat hinaus auf den Rathausbalkon, von dem aus sie ihre Decke auf die Rathausgasse ausschüttelte. Die Sonnenstrahlen drückten den Nebel immer mehr zur Seite und Frau Holle schloss ihre Augen, um die erste Frühlingssonne zu geniessen.
Als Frau Holle ihre Augen wieder öffnete, ging ihr Blick geradeaus durch die gesamte Rathausgasse bis hin zum Obertorturm. Dort folgte sie den goldigen Haaren der Rapunzel bis hoch hinauf. Sie kämmte gerade ihr wunderschönes Haar. Die Haarpracht musste Frau Holle genauer betrachten und beim zweiten Blick sah sie, dass unten ein Jüngling stand.
«Der muss wohl Mitglied in einer Aarauer Verbindung sein?», dachte sich Frau Holle. Denn der Jüngling trug einen Anzug und farbigem Band auf der Brust. Was er wohl von Rapunzel wollte? Denn diese genoss genau wie Frau Holle ihre Ruhe und die ersten Sonnenstrahlen, während sie ihr Haar kämmte.
Die Grübeleien wurden unterbrochen, denn plötzlich erklang lebhafte Musik in der Aarauer Altstadt.
Da waren sie wieder, die vier Aarauer Stadtmusikanten. Mit ihrem Aarauer Wappen erkannte man sie gut. Jeden Morgen läuteten sie so den neuen Tag ein und wurden nur kurz von den Glocken der Stadtkirche unterbrochen. Anschliessend zogen sie sich für den Rest des Tages nach Roggenhausen in die Ställe zurück.
Für Frau Holle war es zur Morgenroutine geworden, durch die Aarauer Gassen zu laufen, sobald die Musik der Stadtmusikanten ertönte. Beim Vorbeigehen am Graben richtete sich ihr Blick immer auf das Aarauer Schloss, wo Dornröschen, umgeben von einem herrlichen Rosengarten, wohnte. Dornröschen war eine gute Freundin der Frau Holle. Besonders gerne ging Frau Holle ihre Freundin in der Orangerie im Aarauer Schlossgarten besuchen. Dort empfing Dornröschen Gäste und präsentierte die hausinterne Kunstsammlung. Von ihrem Anwesen reichte der Blick bis zur Aare und zum Schloss der Prinzessin auf der Erbse beim Alpenzeiger.
So sassen die beiden Freundinnen auf einem Bänkli und blickten hinunter zur Aare. «Schau! Die Prinzessin küsst gerade einen Frosch!», sie konnten den Blick kaum abwenden. Etwas angewidert und etwas begeistert, wie naturnah die Prinzessin doch war. Noch mehr staunten die beiden, als sich der Frosch in einen König verwandelte. Als sich der Blick der Prinzessin und des Königs zu den beiden richtete, weil sie so aufschreien mussten, wechselten sie schnell Gesprächsthema. «Woher hast du denn dein schönes Kleid, Dornröschen?», fragte Frau Holle ihre Freundin. Dornröschen drehte sich einmal im Kreis und erwiderte «Na vom tapferen Schneiderlein natürlich.»
«Stimmt», dachte sich Frau Holle, denn am Stadtbach im Hammer war das tapfere Schneiderlein beschäftigt und trug so zum Ruf von Aarau als Textilstadt bei.
Frau Holle bedankte sich bei Dornröschen für ihre Gastfreundlichkeit und führte ihren Spaziergang fort, hin zum Gönhardwald. Unterwegs fand sie alle paar Meter Krümel auf dem Boden. Vom leckeren Geruch zu urteilen, konnte es nur Brot vom Jaisli Beck sein. Wer würde denn so leckeres Brot auf dem Boden krümeln lassen? Dem Übeltäter musste Frau Holle auf die Spur kommen. Sie folgte den Krümeln, bis sie zur Waldhütte ankam. Wie hätte es auch anders sein können? Da standen natürlich die beiden Geschwister Hänsel und Gretel. Als Frau Holle sie auf den Foodwaste ansprach, erwiderten die beiden, es täte ihnen leid, doch sie hätten so Angst gehabt, den Heimweg nicht mehr zu finden.
Zu dritt machten sie sich wieder auf den Weg nach Hause in die Aarauer Altstadt. Plötzlich rannte Gretel zur Treppe vor dem KuK. «Schaut! Was für ein wunderschöner Schuh hier liegt!» Und in ihrer Hand hielt sie einen Glasschuh. Der musste wohl vom gestrigen Ball liegen geblieben sein. So einen zierlichen Fuss konnte wohl nur Aschenbrödel haben, dachte sich Frau Holle. Wie schön sie wohl ausgesehen haben muss in einem Ballkleid. Besonders eines vom tapferen Schneiderlein. Nachdem Frau Holle die beiden Kinder wieder nach Hause gebracht hatte, entschied sie sich, auch wieder nach Hause in den Turm Rore des Rathauses zu gehen. Dabei traf sie noch auf den gestiefelten Kater, der das MadCat in der Nähe der Stadtkirche betrieb. Für einen morgendlichen Spaziergang hatte sie bereits sehr viel Märchenhaftes erlebt. Schneeweißchen und Rosenrot hatten all das beobachtet und zogen sich zurück, um alles in ihrem Tagebuch/für ihren Blog aufzuschreiben.
Wie magisch doch Aarau ist.

Aargauer Sagen


«Fürio, de Bach brönnt!», singen die Aarauer:innen jährlich im Herbst am «Bachfischet». Wie kam es zu diesem Lied und den Feierlichkeiten?


Eine Aargauer Legende besagt, der Aarauer Stadtbach begann durch Aarau zu fliessen, nachdem die Stadt die Schwestern des Frauenstifts Schänis ins Bürgerrecht aufgenommen hatte. Denn die Nonnen wurden wegen eines Klosterbrands obdachlos. Als Dank für die Güte der Aarauer:innen, liessen sie der Bevölkerung die Wahl zwischen einer goldenen Kette, so lang wie die Stadtmauern, und einem Stadtbach.
Die Bürger:innen entschieden sich für den Stadtbach. So liessen die Nonnen die Quellen beim Dorf Suhr zusammenleiten.
Die Wiederkehr des Bachs nach seiner Abstellung zur Reinigung wird bis heute jährlich mit einem Fest, dem Bachfischet, gefeiert.
Doch der Ursprung des Stadtbachs ist nicht die einzige Aarauer-Legende. Eine weitere Erzählung, die die Entstehung der Trostburg beschreibt, besagt, dass sich im heutigen Aarauer Rathaus die Burg des reichen Grafen von Rore befand. Dessen Adoptivtochter, Gertrud, verliebte sich in einen Prinzen, von dem sich herausstellte, dass er ihr Halbbruder war. Die nächsten Tage verbrachten sie gemeinsam, bis der junge Freiherr Theoderich von Rynach sie, nach langem Werben um ihre Hand, heiraten durfte. Theoderichs Vater schenkte den beiden den Bau einer Burg, die er Trostburg nannte. Dies in der Hoffnung, dass Gertrud darin Trost von ihrer grossen Enttäuschung finden würde.

Kennt ihr weitere Aargauer Sagen? Schreibt uns gerne auf Instagram @insideaarau oder per Mail an insideaarau@bluewin.ch

Wenn wir über Aarau und Märchen schreiben, müssen wir unbedingt auch Otto Sutermeister erwähnen. Er war ein wichtiger Volksmärchensammler aus Aarau und gleichzeitig Herausgeber der ersten Schweizer Märchensammlung im Jahr 1869. Seine Sammlung prägte die Schweizer Märchenkultur. Er absolvierte das Gymnasium in Aarau und war dort einige Jahre später Professor an der Kantonsschule Aarau. Ein weiterer wichtiger Sammler von Märchen und Sagen war Ernst Ludwig Rochholz. Wer mehr über die beiden und über Märchen aus dem Aargau erfahren möchte, wird auf der Website der Märchenstiftung Mutabor fündig (über 500 Märchen allein aus dem Kanton Aargau)

Märchenhafte Tipps


Aarau entpuppt sich nicht nur in unseren Gastkommentaren als ein Ort von märchenhaftem Charme. Tatsächlich birgt Aarau bzw. der Kanton Aargau überraschend viele Märchenbezüge. In diesem Abschnitt möchten wir deshalb gerne einige ausgewählte Märchenempfehlungen teilen.
Ein kleiner Geheimtipp für Märchenliebhaber:innen ist die private Märchenbibliothek der Erzählerin Evelin Amsler, die sich in der Nähe von Aarau befindet. Diese Bibliothek öffnet ihre Türen für Besucher:innen auf Anfrage .
Märchenhafte Erkundungen in der Region um Aarau gibt es einige. Die regionale Sagenwanderung zum Talbächli beispielsweise ermöglicht es Familien, mit ihren Kindern in die mystische Welt der Sagen einzutauchen und die passende Landschaft dazu zu geniessen.
Im ganzen Kanton Aargau erinnern Orte an die Sagenwelt. So beispielsweise das Schloss Lenzburg, wo der Drache «Fauchi» bis heute zu Feuerspeien scheint.
Ein besonderes Highlight ist das Märchenfestival «Klapperlapapp» am 2. Juni 2024 auf dem Schloss Wildegg, wo hinter historischen Mauern Geschichten zum Leben erweckt werden. Das Festival ist ein Erlebnis für die ganze Familie und sollte unbedingt in den Familienkalender eingetragen werden.
Falls man mittels Geschichten gerne die Stadt Aarau kennenlernen möchte, empfehlen wir die Stadthauskinder. Mit Geschichten verfasst von Maria Hächler und illustriert von Rahel Sutter kann man die Stadt auf eine kreative Weise kennenlernen (siehe auch Beitrag von Maria Hächler auf We Love Aarau).
Märchen sind keineswegs nur Kindern vorbehalten. Die Tiefgründigkeit vieler Märchen offenbart sich oft erst bei genauerer Betrachtung – dies macht viele Märchen auch für ein erwachsenes Publikum interessant. Perfekt geeignet, für interessierte Personen ist der Aarauer Erzähltreff im Café littéraire, bei dem Märchen speziell für Erwachsene vorgetragen werden.

Die nostalgische Reise durch die Welt der Märchen (rund um Aarau) haben nicht nur die magischen Erzählungen unserer Kindheit wieder zum Leben erweckt, sondern uns auch daran erinnert, wie präsent diese Geschichten bei uns noch sind. Märchen sind mehr als nur Gute-Nacht-Geschichten, sie sind Abenteuer und eine Möglichkeit in eine neue Welt einzutauchen und ermöglichen, wunderbare Dinge im Alltag zu erleben. Auch wenn Aarau vielleicht momentan kein Fussballmärchen erlebt, so doch ein paar andere.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie alle noch heute glücklich und zufrieden inside Aarau.
Quellen:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Otto_Sutermeister
https://www.maerchenstiftung.ch/de/maerchen_aus_aller_welt/schweizer_maerchen_zum_lesen_und_vorlesen/maerchensuche?Type=Alle%20Kategorien&SearchString=&SearchInOrgin=false&SearchInName=true&SearchInContent=true&SearchInAtNr=false&FairyTaleCountryId=1&FairyTaleCantonId=1&HasStory=false&DistantHome=false&ChildrenFairyTale=false&NatureFairyTale=false&WinterFairyTale=false&WordCount=undefined&PageID=86
Menschen, Geister, Fabeltiere - Aargauer Sagen, Anekdoten und historische Texte” Josef Geissmann, Andrea John, Heinz Erismann, 1991, Lehrmittelverlag Kanton Aargau, AT Verlag Aarau/Schweiz