Gastkommentar

University of Aarau – Eine neue Alma Mater?

UA, AaraUni oder UAar, was wäre wohl das Kürzel der Aarauer Universität?

Von Lydia Klotz und Eleonora Sartori

 

Der Alltag an der Uni hat unsere 20er geprägt und tut es noch immer. Zeit, einem Ort, an dem wir so viele Stunden verbringen, einen Gastkommentar zu widmen. Gemeinsam haben wir insgesamt an vier Universitäten studiert und uns dabei immer wieder gefragt, wie es wäre, in Aarau studieren zu können. Wir vergleichen Uni-Abläufe in der Schweiz und in den Niederlanden und malen uns aus, wie eine mögliche University of Aarau wäre. Gab es vielleicht sogar einmal Diskussionen darüber, in Aarau eine Universität zu haben? Aarau war im Jahr 1798 immerhin die erste Hauptstadt der Helvetischen Republik. Aber wie entstehen eigentlich Universitäten? Beziehungsweise wie wird entschieden, was ein geeigneter Standort für eine Universität ist?

Aargauer Universität?


1460 wurde die erste Schweizer Universität in Basel gegründet. Insgesamt zählt die Schweiz zehn kantonale Universitäten und zwei Eidgenössische Technische Hochschulen. Dabei bieten die meisten Universitäten eine Vielzahl an Fächern an, wobei es wenige gibt, die nur einen spezifischen Fachbereich anbieten.

Über einen Bericht in der Aargauer Zeitung haben wir erfahren, dass das Thema «Universität im Aargau» bereits öfters Diskussionsthema war.

Bereits vor zweihundert Jahren, im 19. Jahrhundert, galt Aarau dank Personen wie Heinrich Zschokke als Bildungsstadt (erfahre in einem unserer Gastkommentare mehr über Zschokke). Für eine Universität kam Aarau jedoch, aufgrund zu grosser Konkurrenz mächtiger Städte wie Zürich, Bern und Basel, nicht in Frage. So wurden Bestrebungen für eine Aarauer Universität in den 1860er-Jahren als «einen ziemlich wohlfeilen Scherz» bezeichnet. 1962 versuchte der Grossrat Jakob Hohl es erneut, im Aargau eine Universität zu etablieren. Heute wissen wir, dass daraus nichts wurde. Doch die Motion des damaligen Grossrats hat vieles bewirkt. So wurde ein Kredit von 250’000 Franken gewährt, um umfassend zu prüfen, ob der Aargau geeignet sei, sich am schweizerischen Hochschulwesen zu beteiligen.

Aufgrund zu hoher finanzieller Belastung wurde die Idee einer Volluniversität mit Studiengängen wie Medizin, Jus und Geistes- und Naturwissenschaften verworfen. Einige Jahre später scheiterte das Projekt einer eigenen Aargauer Universität vollständig. Trotzdem wurde Aarau 2009 zumindest teilweise zu einer Universitätsstadt: Denn im Jahr 2009 eröffnete das Zentrum für Demokratie, ein universitäres Forschungsinstitut der Universität Zürich.

Der Fachkräftemangel, beispielsweise bei den Ärzt:innen, könnte vielleicht die Entscheidung um Bemühungen über eine Universität im Aargau in ein neues Licht rücken.

Studieren in den Niederlanden


Bevor wir mit unserem Gedankenspiel einer Aarauer Uni beginnen, machen wir einen kleinen Exkurs in den Uni-Alltag in den Niederlanden, wo Lydia zurzeit studiert. Geweckt wird man morgens nicht vom Hahn, sondern von den Möwen. Kurz hat man das Gefühl, in den Ferien zu sein. Aber leider wirklich nur kurz, denn schon bald hört man das Klappern von jeder Menge Velos (Fietsen) und realisiert, dass die morgendliche rush hour begonnen hat. Diese findet in den Niederlanden grösstenteils per Fahrrad statt; es gibt eigene Strassen, Wegweiser, Kreuzungen und Ampeln nur für fietsen. In der Uni erwartet einen dann ein eigenes, unterirdisches Fahrrad-Parkhaus. In der Vorlesung blickt man auf rote Ziegelsteinhäuser und könnte auch meinen, in England zu sein. Die Pause verbringt man dann am Wasser: an einer der vielen Grachten. Davor schnappt man sich noch schnell einen Kaffee oder Tee, dies ist nur in wiederverwendbaren Bechern möglich, Plastik und Pappe sind hier Geschichte. Trifft man sich zu einer Lernsession, ist man meistens von vielen Pflanzen und Tageslicht umgeben. Manche Räume werden «Living Room» genannt und fühlen sich tatsächlich genauso gemütlich an wie ein Wohnzimmer. Mittags, und daran muss man sich erst gewöhnen, isst man stets nur ein Sandwich (Broodje) und evtl. eine kleine Suppe/Salat. Eine vielseitige Mensa mit verschiedenen warmen Gerichten, wie ich es von Schweizer Unis gewöhnt war, gibt es hier nicht. Als Zwischensnack empfiehlt sich eine warme Stroopwafel. Möchte man in die Bibliothek gehen, ist es zentral, die Unikarte dabei  zu haben, sonst gibt es keinen Einlass. Die meisten Bibliotheken öffnen erst um 9 Uhr, manche haben am Wochenende geschlossen. Alles scheint etwas relaxter hier. Der Heimweg führt vorbei an Parks und jeder Menge Second Hand Läden, denn diese mögen die NiederländerInnen sehr gerne. Abends trifft man sich, egal welcher Wochentag gerade ist, ganz gezellig in einer Bar zum Borrel – dem hiesigen Apéro. Ganz wichtig: das Fahrradlicht auf dem Rückweg im Dunkeln nicht vergessen, sonst kann es ganz schön teuer werden. Auch der Regenmantel sollte immer eingesteckt werden, man weiss nicht, wie sich das Wetter entwickelt und es wechselt schnell. Überall gibt es frische und bezahlbare Blumen. Man merkt, in DEM Blumenland zu sein. Frauen, Männer und Kinder mit Sträussen in ihren Fahrradkörben sind ein schöner Anblick. Braucht man Uni-Notizhefte, geht man zur HEMA oder Dille&Kamille. Viele Studierende haben einen Nebenjob im Supermarkt oder Café, denn das Leben hier ist teuer… was uns wieder an die Schweiz erinnert.


University of Aarau


Zurück in unsere Kantonshauptstadt. Was wäre, wenn wir tatsächlich in Aarau eine Uni hätten? Wo würden wir zum Lernen hingehen? Wo die Studierenden in den Ausgang?

Wir sehen uns bereits, wie zu Gymizeiten im Home Barista Shop, an unserer Fallbearbeitung arbeitend. Das Lokal hat im oberen Stock perfekte Arbeitsplätze mit Steckdosen. So kann man Aaraus besten Chai Latte oder einen prima Kaffee geniessen und die Vorlesungen vor- oder nachbearbeiten. Im BYRO würden wir bestimmt auch oft sein, vielleicht sogar mal einen Coworking-Sitzplatz mieten. Das Lokal befindet sich inmitten der Altstadt und man kann das Stadtgetümmel beobachten. Für leckere Zwischenverpflegung ist auch gesorgt. Wir würden allen Studienfreund:innen einen Zimtknopf empfehlen. Erfrischen nach einem langen Uni-Tag, könnten sich alle gut in der Aare. Den Kopf lüften könnten die Studierenden (und Dozierenden) in einem der Aarauer Wälder. Die Bücher bestellen würde man bestimmt in der Buchhandlung Kronengasse.

Für den perfekten Studiausgangs-Abend sehen wir uns zuerst bei einem Flammkuchen mit Eistee in der Tuchlaube. Anschliessend geht’s weiter ins Waldmeier und dann zum Hobo, um die tolle Atmosphäre und super Drinks zu geniessen. Wer weiss, dann vielleicht zum Tanzen in den Zoo Club? Für einen Mitternachtssnack treffen wir uns dann auf Mitstudierende im Steingrill. Oder vielleicht doch im Brotkorb.

Zugegeben, bei unserem Gedankenspiel haben wir die Infrastruktur ziemlich ausser Acht gelassen. Wo könnte der Campus sein? Wäre der Schachen gross genug? Würde man Vorlesungen in der Aeschbachhalle haben? Oder im KuK? Der Grossratssaal als Hörsaal?  Würde man nach Rohr oder Suhr «ausweichen»? Zudem wissen wir nicht, wo wir in Aarau wirklich genug Lernplätze hätten. Die Kantonsbibliothek bietet zwar geeignete Plätze an, doch es wären definitiv zu wenige. Wo würden die Studis wohnen? Die Platzfrage wäre definitiv eine schwierig zu lösende Aufgabe. Stellen wir uns aber einfach einmal vor, Platz wäre genug da.

Welche grösseren Lokale und Filialen hätte es wohl aufgrund der Uni nach Aarau gezogen? Beliebt bei Studierenden ist beispielsweise «Jo and the Juice» oder «Dean&David». Einen Tibits gibt es glücklicherweise auch ohne Uni neu in Aarau. Das wäre bestimmt auch ein Studi-Hotspot. Wenn auch nur vielleicht einmal monatlich, da es preislich vielleicht nicht mehr drinliegt. Welche Firmen hätten einen Sitz in Aarau eröffnet? Deloitte, KPMG oder andere Unternehmen der «big four»? PWC hat bereits einen Standort in Aarau. Wie viele StartUps würden von Aarauer Studierenden gegründet werden?

Würde aus dem Kantonsspital ein richtiges Unispital?

Die zentrale Lage Aaraus ist in jedem Fall ein Pluspunkt. Ausserdem gab es bereits einen Fachhochschulstandort hier.

Welche Studiengänge würden überhaupt angeboten? Wenn wir den Aarauer Stolz aufgrund Einsteins Zeit in der Kantonshauptstadt im Auge behalten würden, wäre Physik als Studiengang wohl ein Muss.

Vielleicht auch Medizin? Vielleicht Biologie und Geografie in der Nähe des Naturamas? Politikwissenschaft am Standort des Zentrums für Demokratie in der Villa Blumenhalde?

Wie viele Studienplätze würde die Uni Aarau anbieten? Vergleicht man die Zahlen der Studierenden der Schweizer Unis, ist eines klar: So gross wie die Uni Zürich kann die Uni Aarau nicht werden. An der Uni Zürich studierten 2023 27’958 Personen[4]. Das sind über 5’000 Studierende mehr als Aarau Einwohner:innen hat. Die Uni Luzern könnte mit 3’512 Studierenden[5] sicher einer realistischeren Anzahl Studienplätze in Aarau entsprechen. Würden sich in Aarau AbsolventInnen der NKSA und AKSA an einer Uni mischen? Würden sie sich verstehen und den Graben endlich überwinden?

Gäbe es guten Uni-Merchandise? Weisse Socken ganz à la Aargau mit dem Uni-Logo?

Bestimmt würde sich auch die Zusammensetzung der Bevölkerung etwas ändern. Die Stadt würde «jünger». Events, wie die kürzlich zum ersten Mal stattfindende Aarauer Pride, hätten vielleicht noch mehr Zulauf…

Falls die Diskussionen für eine Aarauer Uni also wieder aufkommen sollten, wir wären auf jeden Fall dafür und dabei! Denn Wissen ist Gold wert.

 

 
Quellen:
https://www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/hs/hochschulen/kantonale-hochschulen/universitaere-hochschulen-und-hochschulinstitutionen.html
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/bildung-warum-der-aargau-als-viertgroesster-kanton-keine-universitaet-hat-und-ob-sich-das-aendern-koennte-ld.2242992
https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/bildung-warum-der-aargau-als-viertgroesster-kanton-keine-universitaet-hat-und-ob-sich-das-aendern-koennte-ld.2242992
https://www.uzh.ch/de/explore/portrait/figures.html
https://www.unilu.ch/universitaet/portraet/zahlen-und-fakten/