Kochtopf

«Hesch am Rössli Haber gäh?»
«Nei, nei, nei. Dä ässe mer sälber!»

Wenn es ums Essen geht, darf man auch mal alte Kinderversli ignorieren. Es wäre nämlich ein Verbrechen, Rebecca Mosers leckere Haberchüechli einfach nur an einen Gaul zu verfüttern.

Von René Moor

Fotos: Valentina Verdesca
Styling: Mirjam Gremminger

Okay, Hafer oder (wie manche sagen) Haber ist nicht unbedingt das, was einem Gourmet Freudentränen in die Augen treibt. Macht aber nichts, weil ich diesen Part ab sofort gerne selber übernehme. Dabei rümpfe ich zuerst noch die Nase, als Rebecca Moser die Idee für ihr März-Menü verkündet: «Haberchüechli.» Haberchüechli? Nei, nei, nei! Aber ich bin ja tolerant. Und Rebecca versucht sich damit herauszureden, dass es im März halt noch kein spezielles einheimisches Gemüse gibt. Immerhin ist sie als Zutat auch noch auf den Schabziger (seit 550 Jahren bekannter Frischkäse aus entrahmter Milch) gekommen. Etwas, das ich sehr mag – während andere davon panisch werden. So langsam finde ich die Sache interessant.

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Rebeccas Menü besteht allerdings aus drei Teilen: den Haberchüechli, dem Wurzelgemüseragout und dem Randendip. Das ist ganz schön aufwendig. Das merke ich, als ich die völlig überstellte Küche sehe. Darum gleich vorweg: Wer nicht mindestens drei Pfannen besitzt, muss gar nicht erst daran denken, das Rezept nachzukochen.

Wie lange kocht man Randen?


Im Dampfkochtopf schmoren gleich zu Beginn die Randen für den Dip. Sie stammen vom Biohof von Elisabeth Rampini aus Schlossrued. Wie lange die Dinger im Topf bleiben müssen, weiss auch Rebecca nicht so genau. Nicht einmal in ihrer wie ein Schatz gehüteten Kochbibel, dem Kochbuch von Elisabeth Fülscher (die Erstausgabe stammt von 1923), steht nichts Genaues. Da rösten wir doch zur Ablenkung lieber in einer anderen Pfanne den Sesam aus dem Reformhaus Müller.

Rebecca hantiert routiniert mit Rüstmesser, Kochlöffel und Raffeln. Dazu erzählt sie, dass ihr offenbar ein Gen fehle, um strikt nach Rezept zu kochen: «Spätestens bei Punkt 3 wird mir immer langweilig und ich fange an zu improvisieren.» Aus Tätschli werden dann Chüechli, statt Pastinaken nimmt sie Sellerie und die Bratpfanne tauscht sie gegen den Backofen ein.

Haber: Gesund, aber grässlich?


Ich finde derweil heraus, dass Haber von allen geläufigen Getreidearten vermutlich die mit Abstand beste und gesündeste ist. Haber ist nämlich glutenarm und deutlich nährstoffreicher als alle anderen Getreidearten. Schön und gut. Aber was gesund ist, schmeckt ja meistens grauenhaft.
Rebecca widmet sich nun dem Lauch Julienne. Während ich noch über den hübschen französischen Namen nachdenke, erklärt sie mir, dass dies die Bezeichnung für schmale Gemüsestreifen sei. Natürlich tue ich so, als hätte ich das längst gewusst. Dann verpampt Rebecca die im heissen Wasser eingeweichten Haberflocken, den Lauch, Rüebli, Ziger, Zwiebel, Haselnüsse, Bouillon, Pfeffer und die Eier zu einer Masse. Ich zweifle daran, ob daraus je ein Teig wird – und liege natürlich voll daneben.

Beglückende Hinweise für Frauen und Männer


Das Wurzelgemüseragout wollen wir hier auch nicht unter die Serviette kehren. Das hat es nämlich in sich. Sellerie wird seit dem Mittelalter in Europa angebaut, seit dem 17. Jahrhundert züchtet man auch Knollen- und Stangensellerie. Der Bockshornklee wiederum gilt als Stärkungsmittel. Und was manche noch mehr interessieren dürfte: Haber, Sellerie und Bockshornklee stärken scheinbar allesamt die Manneskraft. Ist es da Zufall, dass ich plötzlich Hunger habe wie ein Pferd?


Sehr hip: kitschfarbiger Dip


Bevor es nun endlich zu Tisch geht, ist es höchste Zeit, noch mal auf die Randen zurückzukommen. Als Rebecca den Dampfkochtopf öffnet, sind sie – Fleischliebhaber mögen mir verzeihen – genau «à point». Und nach der Behandlung mit dem Handmixer sorgt der Randendip auf dem Tisch für genau den schrillen Farbton, der dem Menü zur Krönung noch gefehlt hat.

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Zum Essen selber will ich gar nichts weiter sagen. Erwähnenswert ist einzig Rebeccas Hinweis, dass man die Haberchüechli gut auch kalt essen kann. Ob das stimmt, lässt sich aber nicht mehr beweisen, denn wir haben längst alle verputzt.

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