Gastkommentar

Stadtbach und Städtebau

Eine Bürgermotion erreicht, dass der Stadtbach in drei Gassen geöffnet werden muss. Ein Hochhaus kaufen?

Von Stephan Müller

Bild: Tilmann Schor

 

 

Ich erinnere mich an meine erste Kolumne auf We Love Aarau. Ich schrieb dort, dass einiges politisch erreicht werden konnte, beispielsweise: «Dass der Stadtbach durch die Altstadtgassen (wieder) fliesst und diese nicht asphaltiert wurden». Aber ich schrieb auch über bedauerliche, misslungene Tatsachen wie: «Und der Stadtbach wird in der Vorderen Vorstadt nicht geöffnet, stattdessen wird diese Altstadtgasse asphaltiert».

Rund ein Jahr später, am 21. März 2021, kam ich in einer weiteren Kolumne auf den Stadtbach an der Vorderen Vorstadt zurück, nachdem sich ein Gutachten aus denkmalschützerischen Gründen gegen eine Asphaltierung dort aussprach: «Neben historischen und ästhetischen Gründen machte es auch aus diesem Grund Sinn, an der Vorderen Vorstadt zusätzlich den Stadtbach zu öffnen. Er kann aus topografischen Gründen wie am Zollrain und in der Pelzgasse natürlich fliessen, ohne jedoch die tiefen Furchen wie dort aufzuweisen. Eine Lösung sähe der Rathausgasse ähnlich, aber ohne dass das Wasser wie dort an die Oberfläche gepumpt werden muss.»

Wieder verging mehr als ein Jahr, als ich dann in der Kolumne vom 1. August 2022 schrieb: «Wer einen Stadtbach mit diversen Armen durch verschiedene Gassen hat, wie Aarau, hat ihn so umfassend wie möglich offen zu legen, um für die Bevölkerung klimapolitisch und auch touristisch zu reüssieren. Alles andere wäre eine (historisch) verpasste Chance. Da gerade zum heutigen Zeitpunkt Sanierungen in der Hinteren Vorstadt, in der Vorderen Vorstadt und am Färberplatz anstehen, ist der Stadtbach dort überall zu öffnen.»

Heute, am 2. Dezember 2023, wieder etwas etwas mehr als ein Jahr ist seit dieser Kolumne vergangen, kann ich Erfreuliches mitteilen. Am 20. November 2023 hat der Einwohnerrat eine verbindliche Motion gutgeheissen, welcher die Öffnung des Stadtbaches in der Hinteren Vorstadt, in der Vorderen Vorstadt und im Bereich Zwischen den Toren/Färberplatz einfordert! Wer hätte das gedacht! Es braucht manchmal einen langen Atem und etwas Glück, und dann verschieben sich die Dinge doch im gewünschten Sinn. Das freut mich sehr für die Stadt, denn die nun beschlossene Öffnung des Stadtbaches wird – nicht nur klimatisch – in den drei Gassen der Innenstadt zu einer Steigerung der Aufenthaltsqualität führen.

Im Bereich Zwischen den Toren/Färberplatz wird momentan Verschiedenes ausprobiert. Die Stadt will bis Ende 2024 eine gute Grundlage haben, um entscheiden zu können, wie sie mit dem Gebiet, mit oder ohne Markthalle, weiter verfahren will. Eine Öffnung des Stadtbaches wird – durch den nun erteilten Auftrag an den Stadtrat – unabdingbar sein.

Gleiches gilt für das Projekt Vordere Vorstadt, das durch die Stadt neu aufgegleist wird, nachdem der Regierungsrat das alte Projekt wegen der vorgesehenen Asphaltierung abgelehnt hat. Der Stadtbach ist in diesem Projekt gemäss der angenommenen Motion «möglichst umfassend» zu öffnen. Idealerweise erarbeitet der Stadtrat nun verschiedene Varianten der Stadtbachöffnung, so dass der Einwohnerrat aus diesen dann auswählen kann.

In der Hinteren Vorstadt wurde in diesem Jahr der Stadtbach saniert. So wurde schön ersichtlich, wie und wo der Stadtbach fliesst, und wie und wo er geöffnet werden könnte. Nun ist alles provisorisch wieder zugedeckt. Im nächsten Jahr ist eine Neupflästerung des ganzen Bereichs vorgesehen, auch im Bereich über dem sanierten Stadtbach. Gleichzeitig hat der Stadtrat durch die angenommene Motion den verbindlichen Auftrag, für die Hintere Vorstadt einen Projektierungskredit für die Öffnung des Stadtbaches vorzulegen. Macht es da nicht Sinn, die Neupflästerung aufzuschieben, und dafür im hohen Tempo die Stadtbachöffnung vorzubereiten? Denn der Stadtrat ist gemäss heute gültiger Gemeindeordnung verpflichtet, in der Regel innert sechs Monaten nach der Annahme einer Motion Bericht und Antrag an den Einwohnerrat vorzubringen. Am 20. November 2023 wurde die Motion angenommen, gemäss Gemeindeordnung müsste somit spätestens am 20. Mai 2024 der Antrag des Stadtrates für die Stadtbachöffnung vorliegen. Zum gleichen Zeitpunkt wäre gemäss bisheriger Planung vorgesehen, dass die Hintere Vorstadt eine grosse Baustelle würde, um sie neu zu pflästern. Die Pflästerung sollte darum warten können, bis die Öffnung des Stadtbaches kommt. Zumindest die Pflästerung über dem Stadtbach. Das machte im zeitlichen und sachlichen Ablauf Sinn.

Noch etwas ganz Anderes. Quasi ein Nachtrag zu meiner Kolumne vom 10. September 2023 zum Thema «Wohnungs- und Städtebau» in Aarau. Ich beschrieb dort, wie der Stadtrat beabsichtigt, neue Eigentumswohnungen zu erstellen, um eine Querfinanzierung für eine neue Sporthalle zu erreichen. Unter anderem spricht der Stadtrat von der Möglichkeit, deswegen neue Wohnungen im Rohrer Hinterfeld zu bauen. Wieso muss immer nur neu gebaut werden? Ökologisch macht es vielfach mehr Sinn, alten Bestand zu erhalten. Eine solche Chance hat der Stadtrat, wenn er das heute zum Verkauf stehende Gewerbe- und Wohnhochhaus in Rohr kaufen und sanieren würde. Oder zumindest mal dafür ein grundsätzliches Interesse anmelden würde. Ich höre schon, wie der Stadtrat später monieren wird, leider hätten sie kein Land und kein Eigentum, um im wachsenden Rohr beispielsweise einen neuen Kindergarten oder einen Hort einzurichten. Darum müssten sie sich nun teuer einmieten. Wenn dies dann überhaupt möglich ist. Land und Häuser im Besitz der Stadt sind langfristig für diese immer ein guter Deal. Und für die Mieterschaft auch. Ein Blick – aus Aarau – auf Wien oder Zürich beweist das zur Genüge. Die Chancen muss man packen, wenn sie da sind. Sonst sind sie – vielfach für immer – verpasst. Eine solche ist jetzt da.